22.12. – Geisterstunde | Adventüden

Fräulein Honigohr schlägt die Bettdecke zurück. Da war doch was? Auf nackten Sohlen schleicht sie zur Wohnzimmertür und drückt sie auf. »Du bist das! Was machst du hier?« ruft sie. Der Geist der Weihnacht ignoriert sie. Er leuchtet fahlgrau, links schwenkt er eine Blockflöte, rechts hält er eine Punschtasse. Oh-oh, denkt Fräulein Honigohr, mein Wunschpunsch! […]

22.12. – Geisterstunde | Adventüden

Fräulein Honigohr und die Walnüsse

Fräulein Honigohr läuft über die Wiese. Das Gras ist nass und färbt ihre Schuhe dunkel, aber das ist nebensächlich. Der Alte hat nach ihr gerufen, und das ist noch nie vorgekommen. Sie macht sich Sorgen. Vielleicht hat er die Nussfäule? Das juckt wie die Pest, aber er hat schon schlimmeres überlebt, und wegen einer solchen Kleinigkeit würde er sie nicht rufen. Ob sie ihn abholzen wollen? Als sie beim Alten ankommt, hört sie fast schon das Gekreische der Sägen. „Da bin ich“, sagt sie, „was ist los?“
Der Alte rauscht mit den Blättern. Seine unzähligen Früchte kichern. „Nüsschen“, raunt er, „gut, dass du gekommen bist. Meine Kinder machen mich wahnsinnig, es ist nicht zum aushalten! Vielleicht kannst du ihnen diese verrückten Ideen ausreden. Mir fällt nichts mehr ein. Ich bin kurz davor, sie alle abzuwerfen!“
Fräulein Honigohr ist erleichtert. Keine Sägen! Sie stemmt die Hände in die Hüften. „Ach komm! Das würdest du doch nie tun!“
„Doch, würde ich!“ Der Alte rauscht grimmig.
Fräulein Honigohr spitzt die Lippen und guckt streng. „Soso. Wer ist die Wortführerin?“ fragt sie in die Runde.
„Ich!“ flüstert eine Stimme unten links. Es ist eine besonders dicke grüne Walnussfrucht. „Wir wollen keine Walnüsse sein! Walnüsse sind langweilig!“
„Und bitter!“ flüstert die Walnuss neben ihr.
„Und braun wollen wir auch nicht sein!“ raunt es aus einem höheren Ast.
„Keiner mag uns, und schwer zu knacken sind wir auch!“ wispert die Wortführerin. „Wir wollen Erdbeeren sein!“
„Erdbeeren, Erdbeeren, Erdbeeren!“ raschelt und flüstert es im Baum.
„Siehst du?“ raunt der Alte. „Ich werde noch verrückt hier!“ Er schüttelt sich und die jungen Früchte schaukeln bedrohlich hin und her.
„Lass das“, sagt Fräulein Honigohr. Der Alte seufzt und hält die Äste still. „Ihr wollt also Erdbeeren sein? Wirklich?“
„Jajajajajajaja! Süß und fruchtig und rot und weich!“ weht es im Baum umher. „Erdbeermarmelade! Erdbeeren mit Sahne! Erdbeerkuchen!“
„Wie kommt ihr denn bloß auf solche Ideen?“ fragt Fräulein Honigohr, aber die jungen Walnüsse hören ihr nicht zu, sie flüstern von Erdbeerträumen und Sommer.
Der Alte lässt die Äste knacken. „In schönen Nächten sitzen oft Menschen mit ihren Handys unter mir. Meine Kinder haben zugehört und zugesehen und jetzt sind sie verrückt geworden.“
Ach so. Fräulein Honigohr überlegt. „Hört mal. Das geht nicht. Ich kann euch nicht in Erdbeeren verwandeln. Für sowas braucht man eine Sondererlaubnis, und die ist wirklich schwer zu bekommen, glaubt mir, unzählige Formulare mit Durchschlag, und alle müssen durch alle Abteilungen, da wären wir im Frühling noch nicht fertig.“
Protestgeflüster weht durch die Äste und lässt die Blätter schwanken. Der Alte wiegt sich hin und her.
„Ich biete euch etwas anderes an. Ihr macht euren Vater sonst völlig verrückt, und ihr wollt doch sicher nicht vor der Zeit abgeworfen werden, oder?“ Sie lässt einen kleinen bedrohlichen Tonfall durch ihre Stimme schimmern und das Protestgeflüster verstummt.
„Was willst du tun?“ raunt die dicke grüne Walnussfrucht.
„Keine Erdbeeren. Aber ihr werdet Weihnachtswalnüsse sein. Golden mit roten Punkten. Das erinnert ein bisschen an Erdbeeren, und wenn die Menschen euch mögen, können sie euch zu Weihnachten in grüne Zweige hängen. Mehr ist nicht drin.“ Fräulein Honigohr klingt bestimmt. Eine Generation von rot gepunkteten Walnüssen ist doch sicher erlaubt, oder? Hoffentlich bleibt das oben unbemerkt, sie hat so gar keine Lust auf Ärger von höherer Stelle, aber sie ist dem Alten verpflichtet, schließlich kennen sie sich schon eine Ewigkeit. Und ein vorzeitiger Fruchtabwurf wäre gar nicht gut. Sie hört schon wieder die Sägen bedrohlich näher kommen.
„Golden, golden mit roten Punkten, roten Punkten“, wispert es im Baum.
„Aber Weihnachten ist doch noch ewig hin“, flüstert die dicke grüne Walnussfrucht protestierend. „Ewig hin, ewig hin“, wiederholen ihre Schwestern wispernd im Chor.
„Tja. Ihr müsst halt ein bisschen länger bei eurem Vater bleiben als geplant. Ihr könnt nicht alles haben.“
Die Walnussfrüchte seufzen, aber vom Erdbeergeraune ist nichts mehr zu hören.
Fräulein Honigohr schnipst mit den Fingern und ein kleines Knacken schwebt durch die grünen Früchte. „Erledigt. Ich hoffe, sie lassen dir jetzt ein bisschen mehr Ruhe“, sagt sie zum Alten.
„Das hoffe ich auch“, raunt er, „du hast was gut bei mir!“
„Ach, Papperlapapp“, sagt Fräulein Honigohr, „das war umsonst.“
Als sie geht, hört sie die Früchte kichern. „Golden und rot, golden und rot“ weht durch die Luft, und Fräulein Honigohr schüttelt den Kopf. Erdbeeren! Handys verändern wirklich alles.

Fräulein Honigohr und die Hirsche

Fräulein Honigohr marschiert durch den Park, es nieselt zart und das Pflaster glänzt dunkel im Schein der Laternen. Sie hat es eilig.
„Hallo? Entschuldigung?“
Überrascht bleibt sie stehen. Eine halbjunge Frau mit einem Kind im Zwergenalter an der Hand steht vor ihr. Das Zwergenkind schreit ein ganz hervorragendes Zetermordio in die feuchte Luft, dass es nur so in den Bäumen echot. Fräulein Honigohr schüttelt den Kopf. Sie muss wirklich sehr abgelenkt gewesen sein.
„Ja?“ ruft sie über das Zetermordio hinweg.
Die halbjunge Frau lächelt angestrengt. „Hier soll irgendwo eine Lichtinstallation sein. Wissen Sie, wo das sein könnte?“
„Natürlich! Sie müssen den Weg hier entlang, aber zehn Minuten wird es dauern, bis Sie da sind.“
„Danke! Wissen Sie, ob es sich lohnt?“
Fräulein Honigohr nickt. „Es sind Hirsche und Rehe, und sie sehen wirklich toll aus.“ Sie betrachtet den heulenden Zwerg. „Vielleicht planen Sie lieber ein bisschen mehr Zeit ein.“
Der Zetermordio-Zwerg verstummt und guckt zu ihr hoch. Er betrachtet sie sehr genau, dann lächelt er schüchtern.
Fräulein Honigohr wird weichmütig ums Herz. „Soll ich dir was backen?“ flüstert sie ihm zu. Er nickt mit einer kleinen Kinnbewegung und versteckt sich hinter seinem Ärmel. Fräulein Honigohr greift in ihre Jackentasche und setzt ihm einen winzig kleinen, leuchtenden Hirsch auf die Handfläche. „Bitteschön“, sagt sie. Der Hirsch röhrt leise und blickt sich um.
„Eins ist wichtig“, sagt Fräulein Honigohr streng, „er mag es nicht, wenn es laut ist. Ok?“ Der Zwerg, der jetzt kein Zetermordio-Zwerg mehr ist, nickt leise und guckt staunend auf seine Hand. Der Hirsch beknabbert leuchtend seinen Daumen.
„Na dann“, sagt Fräulein Honigohr. Sie richtet sich auf und lächelt die halbjunge Frau an, die nichts von alldem mitbekommen hat. „Zehn Minuten und Sie sind da. Viel Spaß!“ Dann geht sie weiter. Sie hat es schließlich eilig.

Fräulein Honigohr und der Schneemann

Bevor man den folgenden Text liest, könnte man zuerst diesen hier lesen. Und diesen hier. Man muss natürlich nicht, aber es macht dann mehr Spaß. Und Sinn auch.

Fräulein Honigohr und der Schneemann

Gedankenverloren öffnet Fräulein Honigohr den Kühlschrank und schlägt die Tür sofort wieder zu, als ihr Geschrei entgegenschlägt: „Du hast es versprochen! Lass mich raus hier! Es ist stinklangweilig! Wehe, du machst die Tür wieder…“ Sie lehnt sich gegen die Kühlschranktür und atmet tief durch. Das muss unbedingt aufhören. Langsam artet dieser Zustand zu einer unfreiwilligen Diät aus, und sie kann ja nicht immer Kekse essen. Obwohl… nein. Energisch macht sie die Kühlschranktür ein zweites Mal auf.
„Ha! Ich wusste, dass du dich nicht traust! Lass mich sofort raus hier! Ist mir egal, ob es draußen zu warm ist! Du hast es versprochen!“ Der kleine Schneemann hämmert mit den Schneefäusten von innen an die blaue Glaskugelwand. Sein Gesicht schimmert besorgniserregend violett in all dem Blau, und das, obwohl der Käse aus der Nachbarschachtel sich alle Mühe gibt, für ein bisschen gelb in der Kugel zu sorgen.
Fräulein Honigohr seufzt. „Was soll ich deiner Meinung nach denn tun?“ fragt sie den Schneemann, „willst du etwa schmelzen? Als Wasserpfütze kann das Leben ziemlich seicht sein.“
Der Schneemann drischt mit seinem Besen von innen gegen die Kugelwand. „Das ist mir egal! Du hast ja keine Ahnung, wie langweilig es hier drin ist! Und dunkel! Lass wenigstens die Tür auf!“
„Nein! Weil es dann nämlich warm wird im Kühlschrank!“ Fräulein Honigohr wirft einen kurzen Blick aus dem Fenster. Keine Spur von Schnee, dafür nieselt es, und viel zu viele Schirmträger sind draußen unterwegs.
Der Schneemann wirft seinen Besen hinter sich, verschränkt die Arme und schmollt. „Du bist schuld! Wenn du dich nicht in die Kugel gewünscht hättest, hätte deine Doppelgängerin es nicht schneien lassen, ich wäre nicht gebaut worden und nicht mirnichtsdirnichts in dieser vermaledeiten Weihnachtskugel gelandet!“
„Du hast mir übrigens immer noch nicht verraten, wie du in die Kugel geraten bist. Irgendwas muss doch passiert sein, oder?“ Fräulein Honigohr sieht den Schneemann bohrend an.
„Das geht dich nichts an!“ Der Schneemann starrt bohrend zurück.
„Ach! Aber retten durfte ich dich?“ Fräulein Honigohr denkt an die hektische Rettungsaktion mit Kühltasche und Eisakkus zurück, und wie sie versucht hat, Herrn Brummeck die Existenz eines lebendigen Schneemannes in einer blauen Weihnachtsbaumkugel zu erklären. Sein Gelächter muss kilometerweit zu hören gewesen sein. Sie schnaubt.
„Natürlich! Du bist schließlich schuld!“ Der Schneemann funkelt sie aus seinen Kohleaugen an.
Was soll sie nur tun? Auf jeden Fall muss sie dieses schlecht gelaunte Eispaket aus ihrem Kühlschrank bekommen, oder sie wird in absehbarer Zeit ebenfalls sehr schlecht gelaunt sein, und dann kann sie für nichts garantieren. Und ihre Doppelgängerin läuft aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch irgendwo da draußen herum. Auf jeden Fall gab es seltsame Nachrichten in den letzten Tagen, das Internet berichtete über Spontanpartys auf überraschend zugefrorenen Seen, die Anwohner hätten am Morgen die Überreste von Riesenbuffets entdeckt, aber kein Caterer hatte entsprechende Aufträge. Die Gerüchteküche brodelt wie ein Punschtopf, den jemand auf dem Feuer vergessen hat. Wie lange wird ihr kleines Weihnachtsfeierexperiment wohl andauern? Fräulein Honigohr hofft auf eine nicht allzu lange Lebensdauer, aber wer weiß das schon genau? Die Weihnachtstage haben ihre eigene Energie, die alles verstärkt und manchmal zu unberechenbaren Ergebnissen führt. Moment. Schuldet ihr der alte Mann nicht noch etwas? Er müsste mittlerweile wieder zuhause sein und sitzt wahrscheinlich in der Sauna, um sich von all dem Trubel zu erholen. Und bei ihm ist es kalt. Außer in der Sauna natürlich. Aber ansonsten: Endlose Schneeberge, eisige Kälte, Nordlichter, soviel das Herz begehrt. Da findet sich doch bestimmt ein Plätzchen für Herrn-ich-meckere-sobald-jemand-die-Kühlschranktür-öffnet? Fräulein Honigohrs Stimmung hellt sich auf.
„Was hast du? Du führst was im Schilde, ich seh das doch!“ Der Schneemann beobachtet sie misstrauisch, die Schneefäuste gegen die blaue Glaswand gestützt. „Sag mir sofort, was du vorhast! Du kannst nicht einfach machen, was du willst, hörst du? Du bist schließlich schuld! Was soll denn die Kühltasche? He! Wo bringst du mich hin? Lass das! Es ist schon wieder dunkel überall, laaaaas daaas!“
Fräulein Honigohr schließt die Kühltasche mit einem erleichterten Seufzer. Das wäre erledigt. Jetzt braucht sie nur noch eine Mitfahrgelegenheit. Ob der Ostwind ihr heute gewogen ist? Einen Versuch ist es wert. Sie schlingt den Schal um den Hals und steigt die Treppe zum Dachboden hinauf. Vielleicht hat ja auch der Teppich heute noch nichts vor. Und wenn doch: Die Aussicht auf Nordlichter hat ihn noch immer überzeugt.

Der Schweinehund und der Tannenbaum

Draußen schneeregnet es und der Himmel ist sturmwolkenblau. Entschlossen suchst du alles zusammen, was du brauchst und guckst dabei immer wieder zu deinem Schweinehund, der unter einer Decke auf dem Sofa liegt. Er schnarcht leise vor sich hin, aber du könntest schwören, dass du ihn vorhin zweimal beim Blinzeln ertappt hast. Als du den Weihnachtsbaumständer auf die Bodendecke mit den kleinen Glöckchen stellst, öffnet er die Augen und setzt sich aufrecht hin. Du wappnest dich.
„Was machst du?“ fragt er.
„Wonach sieht es aus?“ fragst du zurück.
Er gähnt ausgiebig und gestattet dir einen Blick auf prachtvolle, scharfe Zähne. Du guckst strafend. „Was?“ fragt er unschuldig, verkneift sich aber ein weiteres Gähnen. Dann springt er auf und stellt sich neben dich. „Müssen wir schon wieder einen Weihnachtsbaum kaufen gehen?“
Du rollst die Augen. „Was heißt hier schon wieder? Den letzten haben wir vor zwölf Monaten gekauft! Du erinnerst dich? Drama, bevor wir rausgegangen sind, Drama, während wir ihn ausgesucht haben, dann musste ich dir eine Tannennadel aus der Pfote ziehen, und dann sind dir meine Lieblingskugeln runtergefallen.“
„Ich konnte nichts dafür, sie waren so kugelig und du weisst doch, ich habe Pfoten.“
„Die jeden Keks sehr geschickt festhalten können!“
„Ach!“ Dein Schweinehund wedelt abwehrend mit der Pfote. „Alles Schnee von gestern. Und? Kaufen wir einen Weihnachtsbaum?“
Du starrst ihn an. „Willst du etwa einen kaufen?“
Dein Schweinehund wiegt den Kopf hin und her. „Ich komm ja sowieso nicht drumherum, oder?“
Du musterst ihn mißtrauisch.
„Was?“ Dein Schweinehund sieht dich entrüstet an. „Ich nehme nur den Weg des kürzesten Widerstands!“
„Des geringsten.“
„Was?“
„Des geringsten Widerstands.“ Du guckst ihm in die Augen, dann piekst du ihm einen Finger in die pelzige Seite. Er zuckt zusammen und quieckt. „Du WILLST einen Weihnachtsbaum kaufen! Du magst das!“ Du grinst.
„Ach, Schnickschnack“, dein Schweinehund wedelt abschätzig mit einer Pfote, „ich bin ein Schweinehund, ich brauche keine Tannenbäume, ich mache das alles nur für dich!“
Dein Grinsen wird breiter. „Klar.“
Dein Schweinehund schüttelt hoheitsvoll den Kopf. „Was du immer glaubst. Wenn du das brauchst.“
Du schnappst dir immer noch grinsend Portemonnaie und Schlüssel. „Los, komm. Wir suchen jetzt den schönsten Baum, den wir finden können.“
Dein Schweinehund ist vor dir an der Tür. „Können wir auch wieder Marzipankekse an die Zweige hängen?“
Du schliesst die Tür. „Sicher. Aber nur, wenn du Glitzer auf die Zapfen streust.“
Dein Schweinehund hüpft die Treppenstufen hinunter. „Silber oder Gold?“ ruft er.
„Beides!“ antwortest du.

Macht hoch die Tür

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit
öffnet Fenster und Meinungen
prüft eure Überzeugungen
bringt Licht in die hintersten Winkel
freuet euch über eure wilden Ecken
lasst Herrlichkeit dort wohnen
kämmt das Haar und putzt die Schuh‘
frohlocket laut:
Es kommt der Herr der Herrlichkeit
er ist gerecht, ein Helfer wert
haltet Ausschau nach seinem Gefährt
lacht aus vollem Herzen
zündet an die Kerzen
schmücket Häuser und Plätze
macht hoch die Tür, die Tor macht weit
es kommt der Herr der Herrlichkeit!

Wie man unschwer erkennen kann, habe ich mich von einem alten Kirchenlied inspirieren lassen, das ich sehr mag. 😊

Der Dienstag dichtet!  
Katha kritzelt hat diese Aktion ins Leben gerufen: Dienstag ist Gedichtetag. Wer sich anschließen will, ist herzlich willkommen! Mit dabei sind:

Mutigerleben
Wortgeflumselkritzelkrams
Werner Kastens
Nachtwandlerin
Gedankenweberei
Erinnerungswerkstatt
Lebensbetrunken
Dein Poet
Geschichte/n mit Gott
Suses Buchtraum
Wortmann
Traumspruch
Lyrik trifft Poesie
Voller Worte

Feliz Navidad

zwischen den Regentropfen
Feliz Navidad
Weihnachtsrealitäten
nasses Einheitsgrau
im norddeutschen Dezember
trotzdem:
leise Ahnungen
von Silber und Engelshaar
zwischen den Eisregenschauern

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wenn alles Lebendige schweigt

Wenn die Abende kalt,
und die Morgende dunkel sind,
und alles Lebendige schweigt,
betrachte ich die Weihnachtsgaben,
die ihr mir schenktet,
kleine, große, bunte,
sie sind hier, bei mir,
und wärmen besser
als viele Feuer
und zwei Paar Socken.
Ich hülle mich ein in sie
wie in einen Mantel,
und auch,
wenn alles Lebendige schweigt,
höre ich sie wispern
von Verbundenheit, Treue,
und manchmal sogar von Liebe.

Herr Miesling und das Fest

Herr Miesling und das Fest

Herr Miesling hat schlechte Laune. Weihnachten rückt immer näher, und diese Tage sind sind nicht gerade seine Lieblingszeit im Jahr. Waren es noch nie. Außerdem regnet es die ganze Zeit. Oder die Stadt ertrinkt in grauer Nebelsuppe, und wenn die weg ist, regnet es wieder. Ärgerlich kickt Herr Miesling einen kleinen Stein vom Gehweg. Die letzten Heiligabende hat er bei Siggi in der Kneipe verbracht, aber nicht mal das darf man mehr. Die Kneipe ist schon seit Wochen geschlossen. Dieses blöde Corona! Langsam ist er es leid. Mit einem tiefen Seufzer bleibt er auf dem Gehweg stehen, zieht die Schultern hoch und guckt nach oben. Kein einziger Stern schafft es durch den Nebel, nur eine einsame Lichterkette blinkt rot-blau-weiß in einem Fenster vor sich hin. Lichterketten! Sein Engel hat ihn praktisch gezwungen, so ein Ding im Second-Hand-Shop zu kaufen, und nun blinken bei ihm zu Hause zwanzig Plastikrentiere auf dem Küchentisch. Was solls. Da braucht er das Deckenlicht nicht einzuschalten, das spart Strom.
Herr Miesling lässt die Schultern sinken und setzt sich schlurfend wieder in Bewegung, als sein Engel ihn am Arm zieht. „Was is?“ fragt Herr Miesling ungehalten. Auf so einen dämlichen Engelkram hat er jetzt wirklich keine Lust. Sein Engel zeigt auf einen grauen Plastiksack, der neben einer Mülltonne auf der anderen Straßenseite steht. Oben aus dem Sack gucken Tannenzweige heraus. Herr Miesling spitzt den Mund, dreht sich nach links und rechts und überquert die Straße. Prüfend befühlt er die Zweige. Sie sind frisch und sehr pieksig. Blautanne. Weiter unten im Sack erahnt er Efeu, Wacholder könnte auch drin sein. Da hat jemand in seinem Garten aufgeräumt. „Das is dann wohl unsers, was?“ flüstert er seinem Engel zu, hebt den Sack auf seinen Rücken und macht sich davon, so schnell er kann.
Vor der Kneipe setzt er den Sack auf den Boden und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Ganz schön schwer, so´n bisschen Grünzeug! Er setzt seinen Zeigefinger auf die Klingel und läutet. Es ist ein triumphales Läuten.
„Werner! Was machst´n für´n Lärm! Nimm deinen Finger von der Klingel!“ Siggi beugt sich aus seinem Fenster über der Kneipe. „Was haste denn da neben dir? Ne Leiche im Sack?“ Er kichert, dann setzt er seine Brille auf, guckt noch einmal und strahlt plötzlich. „Sach nich, du hast Grünzeug gefunden! Das is ja´n Ding! Die Frau wird Augen machen!“
Herr Miesling guckt stolz auf seinen grauen Tannenzweigsack. „Der stand da einfach so rum. Sollte in den Müll, da dachte ich, ich bring ihn lieber zu dir.“
„Warte, ich komm runter.“ Siggi verschwindet aus dem Fenster und taucht eine Minute später in der Kneipentür auf. „Das is toll. Da kann die Frau doch noch diesen Weihnachtstüdel machen. Willste auch eins? Macht sich nett auf dem Küchentisch. Legste noch ne Lichterkette drüber, fertich.“
Herr Miesling überlegt. Sein Engel stößt ihn in die Seite. „Wennde eins über hast…“
„Klar! Du bist doch der Lieferant! Sach mal, Werner… „, Siggi druckst verlegen herum, „wir ham ja zu, und es is ganz schön einsam ohne euch alle, sach ich dir. Haste nich Lust, Heiligabend zu uns zu kommen? Die Frau macht Kartoffelsalat mit Würstchen, aber nur zu zweit, das is irgendwie komisch. Zwei Haushalte dürfen ja zusammen!“ Er schaut Herrn Miesling fragend an.
In Herrn Mieslings Brust wird es ganz warm. „Och, ja, warum nicht…“ murmelt er und versucht, nicht zu glücklich auszusehen. „Ich, äh, ich hab ja sonst nichts vor.“
„Super!“ Siggi klopft Herrn Miesling auf den Rücken. „Gott, bin ich erleichtert! Nur die Frau und ich, an Weihnachten alleine, das is nix, wir kriegen uns nur in die Haare. Dann sehen wir uns Heiligabend um fünf!“ Er nimmt den Sack und geht zur Tür. „Und morgen kommste vorbei und holst dein Tannendings ab, hörste?“
Herr Miesling nickt. Er sieht zu, wie Siggi hinter der Tür verschwindet. Dann dreht er sich um und macht sich auf den Weg. Sein Engel hakt ihn unter. Gemeinsam schaukeln sie unter den Lichtkegeln der Straßenlaternen nach Haus.

lasst uns ein Licht tragen

tragt in die Welt nun ein Licht
und warme Schokokaramellkekse
beides zusammen reine Seligkeit
tragt zu den Alten ein Licht
nehmt helle Bienenwachskerzen
sagt allen: Fürchtet euch nicht
Prioritäten sind seltsam gewichtet
geduldig möchte ich sein
tragt zu den Kranken ein Licht
es verändert die Sicht
deine und meine
tragt in die Welt nun ein Licht
und warme Schokokaramellkekse
aus der duftenden Küche
seht auf des Lichtes Schein
es verändert das Sein

Das Gedicht ist aus einem Advents-Schreibimpuls von Susanne Niemeyer entstanden. Nehmt ein Lied, das ihr mögt, nehmt daraus ein paar Zeilen und ergänzt. Ta-daa!