Osterhoffnung

im Radiogottesdienst singt ein schiefer Chor
die Balkontür steht offen
die Luft ist lebendig und voller Knospen
niemand wird heute verraten
ein Kind sagt: Lass uns spielen!
und wir überlegen

Nestbau

Fräulein Honigohr kuschelt sich tiefer ein. Die roten Blütenblätter leuchten. „Weißt du noch“, fragt sie schläfrig, „wie ich dir ein Nest gebaut habe? Es war kalt, und naß, aber dir hat das nichts ausgemacht, du warst so schön… rund und braun und du hast nach Frühling gerochen…“
Die Tulpe summt im warmen Wind.
„Genau“, sagt Fräulein Honigohr, „so ist es, meine Liebe. Ich habe mir ein paarmal Sorgen gemacht, weißt du das? Es war so frostig draußen, und ungemütlich. Aber das hätte ich gar nicht tun müssen, oder?“
Ein Leuchten wie ein Lachen rauscht über die roten Blätter.
„Ich wusste es“, murmelt Fräulein Honigohr und blinzelt träge in den Himmel. Die Sonne glüht durch das tiefe Rot und wirft Feuerwirbel über ihr Gesicht. Die Tulpe dehnt sich der Sonne entgegen, ihre Blätter tanzen im leichten Wind.
„Nächstes Jahr werde ich Nestbau für dich betreiben“, murmelt Fräulein Honigohr, bevor sie einschläft. „Dann kannst du im Schwarm tanzen.“
Die Tulpe singt.

Das war ein Beitrag zu den abc-Etüden (Bedingungen siehe Bild oben), und organisiert werden die Etüden von Christiane – vielen lieben Dank! 😊

Fasanschillern

das Leben tanzt rotgolden
auf frostigen Wiesen
die Henne neigt prüfend den Kopf
akzeptiert den Frühling
lange Federn leuchten im Morgenlicht
neue Generationen summen
im Tanz des Fasans

Der Dienstag dichtet!  
Katha kritzelt hat diese Aktion ins Leben gerufen: Dienstag ist Gedichtetag. Wer sich anschließen will, ist herzlich willkommen! Mit dabei sind:

Mutigerleben
Wortgeflumselkritzelkrams
Werner Kastens
Nachtwandlerin
Gedankenweberei
Erinnerungswerkstatt
Lebensbetrunken
Dein Poet
Geschichte/n mit Gott
Suses Buchtraum
Wortmann
Traumspruch
Lyrik trifft Poesie
Voller Worte

Was ich heute morgen gedacht habe

  • wie angenehm sich der Märzwind heute anfühlt
  • dass meine geschlossenen Augenlider mit Sonne im Hintergrund orange-rot-violett aussehen
  • ob der Bauwagen in der Obstbaumwiese wohl bewohnt ist
  • der unangenehme Termin ist vorbei
  • endlich andere Schuhe anstatt der Winterstiefel
  • die Krähenkolonie gegenüber ist heute ungewohnt still
  • der Frühling lauert in allem

Frühlingsjunge

der ferne Frühling
duftet nach Kinderlachen
streut Waldmeisterkichern ins Grau
die Hoffnung lacht
schubst Tannenbäume vom Balkon
lässt Lichterketten zurück
wie verlorenes Lametta
in frisierten Vorgartenbäumen
Überbrückungshilfen im Dunkel
kleine Leuchtfeuerwegweiser
für den Frühling
den verschlafenen Jungen
ewig grün hinter den Ohren
immer zu spät

Der Dienstag dichtet!  
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Jetzt

Ein Gärtner zupft Unkraut aus dem Schottersteingarten und die Morgenluft riecht nach Katzenfutter. Die Fabrik arbeitet. Ein paar Krähen krächzen, während die alte Abfertigungshalle sich rosa färbt und geheimnisvoll verheißungsvoll aussieht im Morgendunst. Nebenan rattert ein endloser Güterzug über die Weichen und übertönt die zwei Vögel, die schon mal für den Frühling proben. Der Tag arbeitet an sich. Und ich bin sehr zufrieden mit ihm.

am Abend

am Abend
sich verlieren
in kühler Luft
auf weiten Feldern
grünen Wiesenschaum schlürfend
versinkend in Butterblumengelb
himmelblau beschwipst
auf breiten Krähenschwingen
in tulpenrote Abschiedssonne segeln
sich auflösen
in Nachthimmelschwarz

Der Dienstag dichtet!  
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Frühlingsfest

grüne Spitzenschleier wehen feldwärts
ziehen Weißdornborten hinter sich
hüllen mich ein
wie eine müde Braut
Feldlerchen singen Te Deum
in meinem Haar nisten Störche
ihr klappern
vertreibt die Wintergeister

Der Dienstag dichtet!  
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Wie schmeckt das Leben gerade?

Das Leben schmeckt nach Müdigkeit und Sonne, nach glasklarem Himmel und eisigen Winden. Es schmeckt nach dumpfem Zuviel in den Knochen und endlosem Hunger nach Leben und nach Buntheit. Die Buntheit hält mich wach, sie fordert mich auf, komm und sieh! Es gibt soviel zu sehen. Blüten, Vögel, Aufbruch, Versprechungen überall. Die Buntheit zieht mich aus der Müdigkeit und lässt meine Knochen schlackern, sie malt Wolken in den blauesten aller blauen Himmel und lässt mich lila Blumen kaufen. Dabei tupft sie Schneeflocken auf meine Zunge und Honig, überschüttet mich mit Dohlen mit viel zu großen Zweigen in den Schnäbeln, während ich im sibirischen Wind stehe und fröstele. Sie lenkt meine Aufmerksamkeit auf die kleinen Blattknospen zwischen den Gitterstäben, die tapfer im Wind zittern. Das Leben schmeckt nach Überfluß und den Gedanken an andere, die zuwenig haben, und es schmeckt nach dem Wunsch nach immerwährendem Frieden auf Erden und überall. Im Nacken sticht die Gewissheit, dass es so wohl nicht sein wird, aber auf meiner Zunge liegt noch der Wunsch und kitzelt wie Brausepulver. Mein Leben schmeckt nach Bewunderung für diejenigen, die Aufbrechen und sich auf den Weg machen, um Frieden zu bringen und die die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit zum Leuchten bringen. Und im Abgang, ganz hinten im Rachen, da schmecke ich zwischen zartbitterer Müdigkeit Möglichkeiten. Sie duften nach Birne und Vanille und leuchten bunt. Da ist sie wieder, die Buntheit. Dem Himmel sei Dank für die Buntheit.