Zurück aus dem Paradies

Ich war im Urlaub. Und bin wieder zurück. Manchmal braucht es etwas Besonderes im Leben, es gibt etwas zu feiern, oder ein Vorher-Nachher ist notwendig, und dann ist es Zeit für eine Reise. Also zumindest in meinem Leben ist das so. Und so fing ich letztes Jahr an zu suchen und fand eine Reise und eine Freundin, die mitwollte, was das Ganze schon mal doppelt so schön gemacht hat, buchte mit viel Herzklopfen und Vorfreude und letzten Samstag ging es los. Wir hatten ja keine Ahnung. Ich sage nur: Amalfiküste. Das blaueste aller blauen Meere, die steilsten aller steilen Küsten, die schönste Straße der Welt, klar, das sagt man so dahin, ist ja allen klar, ich meine, wo hätte Kaiserin Sissi schöner vor sich hin leiden können, in Samt und Seide schwitzend auf einem Krankenlager vor einem sagenhaften Panorama? Genau. Da eben. Wenn man dann tatsächlich dort ankommt und Neapel überlebt, gibt es diesen Moment, wo man sich aus der halb liegenden Haltung aufrichtet, lautlos „Oh!“ sagt und ab dann hellwach ist, weil es diese Art von Straße eigentlich nicht geben kann. Sie windet und schlängelt sich, klebt wie ein ausgetrockneter Regenwurm an den Felswänden, fordert den Automotor heraus und nimmt jede versteinerte Falte im Berg selbstverständlich mit, unter sich das schillernde, gleißende Blau, über sich endloses Gestein, nach innen oder außen gewölbt, am Rand Zitronen-, Oliven- und Orangenbäume wie eine nie endende Kette. Sie schubst weiße Häuser und Terrassen nach außen oder nach oben, bohrt sich in den Fels und kommt wieder hervor, und manchmal, nach einer Kurve, möchte man am liebsten die Flügel ausbreiten und direkt ins Blau fliegen. Was auf dieser Straße einfach wäre. Andererseits gibt es noch keine Autos mit Flügeln, und man würde ja die nächsten siebenundsiebzig Kurven und Schleifen verpassen, was auf gar keinen Fall geht.
Ich mag mir nicht vorstellen, was es bedeutet, dort zu leben und diese Straße jeden Tag befahren zu müssen, aber auch im Paradies muss es den ein oder anderen Nachteil geben. Für Touristen auf jeden Fall ist diese Straße ein Wunder, egal, ob man sie befährt oder vom Meer aus betrachtet. Ich bin schon immer gern Auto gefahren. Diese Straße hat da ganz neue Maßstäbe gesetzt. Es gab der Wunder viele in dieser wunderbaren Woche (die Ausblicke! Die Zitronenbäume! Die endlosen Treppen! Das Gebäck! Die Möwen! Die Sonne! Die Pasta! Und die Ausblicke, die wirklich zweimal erwähnt werden müssen), aber diese Straße ist das größte Wunder unter allen.
Wenn mir noch einmal jemand sagt, es gäbe keine Wunder, werde ich nur stumm mit dem Finger auf die Amalfiküste pieksen und vielsagend gucken, und die Menschen werden schweigen und verstehen und bedächtig nicken. So ist es. Darauf einen Limoncello Spritz. Prost!

Theoretisch hätte man Zitronen pflücken können. Praktisch haben wir das aber natürlich nicht gemacht.

Ortswechsel

Manchmal braucht man einen Ortswechsel. Oder man hat einen Traum, der auf Erfüllung drängt. Mein Traum ist ein größerer Balkon, auf dem man im Frühling, Sommer, Herbst und Winter sitzen kann, in kurzen Hosen oder im Mantel, in eine Decke gewickelt und Tee schlürfend. Unglaublicherweise erfüllt sich dieser Traum nun, denn ich ziehe um. Ich habe tatsächlich eine Wohnung gefunden, die einen solchen Balkon hat. Wahnsinn! Allerdings gibt es in dieser Wohnung sehr viel zu tun, sehr, sehr viel, aber der Balkon ist das alles wert. In den nächsten Wochen werde ich viel Zeit mit Farben, Pinseln, Akkuschrauber und Klebeband verbringen und weniger Zeit hier haben. Ich habe ein paar Beiträge vorbereitet und gucke auch immer mal vorbei, aber wundert euch bitte nicht, wenn ich weniger kommentiere als sonst. Irgendwann werde ich auf dem neuen Balkon angekommen sein und dann werde ich mit Teebecher in der Hand alles Neue in der Luft erschnuppern. Und hoffentlich auch Internet haben! 😀

Zimmerreise um das ebook

Bei puzzleblume werden Zimmereisen veranstaltet, und da die echten Reisen zur Zeit ja durchaus Mangelware sind, habe ich beschlossen, daran teilzunehmen und im Gegenzug andere mit auf meine Reisen zu nehmen. Daher gibt es hier meine dritte Zimmerreise zum Buchstaben E wie ebook.

Und wieder ist es Zeit für eine kleine Zimmerreise, dieses Mal zu meinem ebook. Ich hoffe, die ersten Leserinnen und Leser verlassen jetzt nicht fluchtartig diesen kleinen Beitrag, denn wirklich: Das ebook hat auch gute Seiten! Wirklich! Natürlich verstehe ich all die emotionalen Reaktionen, wenn das böse Wort fällt, denn ich habe sie ja auch alle durchgemacht. Ich meine, ernsthaft: Geht irgendetwas über das Gefühl, ein richtiges Buch in der Hand zu halten, seine Seiten sanft mit dem Daumen anzublättern, liebevoll über den hoffentlich irgendwie geprägten Einband zu streicheln? Nein, natürlich nicht. Ich liebe Bücher. Aber, manchmal, in bestimmten Situationen, in den unbequemen Falten des Alltags, da findet man plötzlich ein ebook in einer unerwarteten Ecke und es ist hilfreich. Unfassbar.
Mein ebook also sieht ganz unspektakulär aus, es kann keine Farbe, es bleibt bescheiden schwarzweiß, ab und zu hängt es sich an den endlosen Buchstabenreihen auf, so dass ich es per Stecknadel und ein bisschen Vodoo neu starten muss. Der Akku ist nicht mehr der jüngste und behauptet ständig, er wäre erst fünfzig, dabei ist er schon neunundneunzig. Es muss hinten auf dem Rücken ständig meine Fingerabdrücke ertragen, obwohl ich hingebungsvoll an ihm herumwische, und in den Tiefen seines Speichers sind ein paar Umschlageinbände verschwunden, so dass es beim Schlafen nicht das gerade gelesene Buch anzeigt, sondern irgendeines, das schon gar nicht mehr in ihm ist. Man könnte sagen, es träumt von vergangenen Leben, und das wäre dann ja auch irgendwie richtig, oder?
Es ist mittlerweile nicht mehr ganz uptodate, obwohl es zum Zeitpunkt unseres schicksalhaften Zusammentreffens hip und auf der Höhe der Zeit war. Wie ich früher. Wir passen also wunderbar zusammen.
In meinen Besitz ist es gekommen, weil ich in einem Anfall von Entschlussfreudigkeit beschlossen habe, an der Technik des 21. Jahrhunderts nicht nur in Form von Handy und PC teilzunehmen, sondern auch mit einem ebook. Damals stellte ich mir aufgeregt vor, wie ich gelassen und tiefenentspannt mit einer tausend Bände umfassenden Bibliothek in der Bahn sitzen würde und niemals wieder in die schreckliche Lage kommen würde, nichts passendes zu lesen zu haben.
Mit nonchalanter Geste würde ich mein elegantes ebook aus der Tasche holen und anfangen zu lesen, während um mich herum alle in Verzweiflung angesichts wiederholter Bahnverspätungen ausbrechen würden. Tsja. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass es mir überhaupt keinen Spaß machen würde, dauernd eine Unzahl von möglichen Büchern um mich herum zu haben und dass das ebook nach und nach zu einem nervzermürbenden Nervzwerg in der Tasche mutieren würde.
Scheinbar gehöre ich zu den Lesern, die lieber nur eine kleine Anzahl noch zu lesender Bücher um sich haben wollen und nicht tausende. Außerdem möchte ich sie selber aussuchen und sie mir nicht von einem Algorithmus vorschlagen lassen.
Was soll ich sagen, das ebook war beleidigt. Es beschloss, für ein paar Jahre in einer staubigen Schublade zu verschwinden und sich seinen Akku fast zu Tode zu grämen ob seiner plötzlichen Unbeliebtheit. Ich fühlte mich ein bisschen schuldig, hatte aber zu viel Freude an den Papierbüchern, bis, ja bis eines Tages ein Urlaub anstand, in den ich nicht die üblichen sieben Bücher mitnehmen konnte – das schreckliche Wort „Übergepäck“ schwebte im Raum. Und da kam mir das verschmähte ebook wieder in den Sinn. Ich holte es aus der Schublade, belebte den Akku wieder (der seitdem behauptet, erst fünfzig sein, aber schon 99 ist), lud etwa zwanzig Bücher drauf und nahm es mit auf große Reise. Plus zwei echten Papierbüchern, man weiß ja nie! Was, wenn das ebook mitten in der Auszeit beschlösse, nun sei es genug, und wenn man schon die Bühne verlassen müsse, solle man das möglichst spektakulär tun und die Leserin in der größtmöglichen Verzweiflung zurücklassen!
Was soll ich sagen, die Papierbücher habe ich umsonst mitgenommen, mein ebook versieht seitdem stoisch seinen Dienst, ab und zu muss ich es aus misslichen Lagen retten. Ich meine, wer will schon mitten in der schlimmsten Thrillerszene ewig festhängen? Nicht mal ein ebook, schätze ich. Und so nutze ich es für Ausflüge, Reisen und in Zeiten des großen C. (der schwarze Herr Covid) für die kontaktlose Ausleihe von Bibliotheksbeständen. Ich hoffe, es bleibt noch lange bei mir, wir sind ein gutes Team geworden, und ich würde es ungern missen.
Das war der Buchstabe E! Zimmerreise beendet, und wenn mein ebook gerade nicht guckt, kann ich nun wieder die guten Papierbücher liebevoll in Händen halten… 😊

Zimmerreise: Das Brot und die Kindheit

Bei puzzleblume habe ich neulich die Zimmerreisen entdeckt, die ich sehr verführerisch finde. So eine Wohnung ist unentdecktes Land, hinter jedem Gegenstand lauert eine Geschichte darauf, erzählt zu werden. Daher gibt es hier meine zweite Zimmerreise zum Buchstaben B wie Brot.

Wie man sieht, sieht man gute Dinge.

Das ist mein Tiefkühlfach. Und das da ist mein Vorratsbrot, fein von Hand in Scheiben geschnitten, damit ich immer die zwei Scheiben Brot, die ich täglich esse, frisch herausnehmen kann. Ich mag nämlich kein Pappbrot, und wenn das Brot anfängt, sich zu krümmen, muss es doch eine schlimme Krankheit haben, und dann sollte man ihm den Gnadenstoß geben anstatt es zu essen. Das widerspricht aber meinem du-sollst-kein-Essen-wegwerfen-Prinzip, und da kommt die Tiefkühleinheit ins Spiel! (Ich könnte auch eine Zimmerreise zum Thema Kühlschrank mit Gefrierschrank schreiben, das wäre ein buchfüllendes Großereignis, aber nein, heute ist nur das Brot an der Reihe. Also zurück.) Wo war ich? Brot, eingefroren. Ich habe im Tiefkühlfach auch Toastbrot (ganz schlimm für alle Vollwertliebhaber, ich weiß, aber da müsst ihr jetzt durch), Aufbackbrötchen (mein Ruf ist eh schon ruiniert) und frische Brötchen vom Bäcker (Landgewinn!). Es gibt als alleinlebender Mensch ja diverse Möglichkeiten, an seine Nahrung zu kommen, und ich gehöre eher nicht zur Sorte „ich kaufe jeden Tag auf meiner vorfrühstücklichen Laufeinheit ein Brötchen und ein Ei“. Ich bin eher der pragmatische Typ, der maximal einmal pro Woche einkaufen geht, und ich mag kein angetrocknetes Brot, das mir morgens vorwurfsvoll ins Gesicht sieht und über die miserable Essrate von Singles herummeckert. Darum der Tiefkühler.
Das alles wollte ich aber eigentlich gar nicht erzählen, ich weiß auch nicht, wie ich auf diese Tiefkühl-Abwege geraten bin, eigentlich sollte es hier um die Brotkauf-Erlebnisse aus meiner Kindheit gehen. Da gab es nämlich in meinem Dorf den Bäckerwagen. Der kam jeden Dienstag, wurde von der Frau des Bäckermeisters gefahren und hupte laut vor unserer Einfahrt. Meist hatte meine Mutter das Geld schon herausgelegt und einen Zettel geschrieben, was zu kaufen wäre: Ein Kastenweißbrot, ein Schwarzbrot und ein Graubrot und meistens noch irgendeinen Kuchen, der gerade da war. Diese neumodischen Dinge wie Körnerbrote mit Sonnenblumenkernen (!) oder Kürbiskernen (!!!) kamen erst etwas später in Mode, und auch die haben wir dann vom Bäckerwagen gekauft. Der Bäckerwagen kam aus einem Nachbardorf, und das war brisant, denn in meinem Dorf gab es natürlich auch einen Bäcker, aber der kam eben nicht bis direkt vor die Haustür. Wir kauften also bei der Konkurrenz ein, und das hatte immer eine kleine, subversive Note, die mir gut gefallen hat. Das Brot war allererste Klasse. Ich mochte nie Schwarzbrot, früher nicht, heute nicht und zukünftig wohl auch nicht, aber die Knüste von einem frischen Schwarzbrot von diesem Bäckerwagen, um die haben wir uns alle gestritten. Der Gewinner wurde jede Woche neu festgelegt. Auch die anderen Knüste waren heiß begehrt, außen knackig, innen weich, duftend, perfekt für Butter und Honig oder im Falle meines Vaters für Leberwurst. Ich mag den Begriff „Knust“ für das Endstück eines Brotes bis heute und verbreite ihn unermüdlich überall. So ein schönes Wort!
Das Brot selbst wurde mit einer alten, in die Küche eingebauten, ausklappbaren Brotschneidemaschine mit Handkurbel geschnitten, die Scheibenstärke war einstellbar und das Geräusch des knackenden Brotes, das durch die scharfen Sägezähne gemahlen wurde, kann ich sofort jederzeit vor meinen inneren Ohr reproduzieren. Jedes Mal ermahnte meine Mutter alle Benutzer der Brotmaschine (so hieß sie bei uns), ja auf die Finger achtzugeben, sie wolle bitte keine Fingerkuppen in ihrem Brot haben. Bis heute hätte ich gerne so eine Brotmaschine mit Handkurbel, aber ach, wo sollte ich sie hinstellen und wo bekäme man so eine her, und überhaupt wäre es nicht dasselbe.
Der Dienstag war bei uns also der Tag des frischen Brotes, und da der Bäckerwagen ja auch Kuchen hatte und wir ihn kaufen durften, auch der Tag des Bäckerkuchens. Ansonsten gab es ausschließlich selbstgebackene, sehr gute Kuchen und Torten, aber einmal in der Woche eben auch den Butterkuchen vom Bäckerwagen. Sehr viele B´s habe ich hier gerade im Text, stelle ich mit Genugtuung fest, aber es ist ja auch die Zimmerreise zum Buchstaben B wie Brot.
Geblieben aus diesen Bäckerwagen-Dienstagen ist meine Vorliebe für frisches Brot. Bei mir gibt es nie solche seltsamen Dinge wie Arme Ritter, Brotkuchen oder Suppencroutons, geschweige denn selbstgemachtes Paniermehl. Woraus sollte ich das herstellen? In meiner Wohnung gibt es kein altes Brot. Nur knackiges Weißbrot, krachende Brötchen und knuspriges Kürbiskernbrot. Guten Appetit! 🙂

Zimmerreise – der Leuchtturm in der Küche

Bei puzzleblume habe ich neulich die Zimmerreisen entdeckt, die ich sehr verführerisch finde. So eine Wohnung ist unentdecktes Land, hinter jedem Gegenstand lauert eine Geschichte darauf, erzählt zu werden. Daher gibt es hier meine erste Zimmerreise zum Buchstaben B wie Bild.

In meiner Küche hängt ein Bild von einem Leuchtturm mit einer Badewanne auf der Aussichtsplattform. Sie hat ein Sonnensegel. Die Badewanne, nicht die Aussichtsplattform. Und unter dem Sonnensegel sitzt jemand mit blonden Haaren und badet, vor sich die blaue See mit ein paar weißen Schafswolken und einer absolut beneidenswerten Aussicht. Ein Geschoss tiefer stehen die Fenster offen, ein paar Möwen nutzen den Schatten, ansonsten: Nichts. Nur sehr viel Sand und Meer. Man kann die Stille hören und das Salz riechen, die Wärme fühlen, die über die Haut streicht, dazu das leise Rauschen der See.
Dieses Bild musste ich haben, und entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten habe ich tatsächlich nach dem glücklichen Kauf sofort nach einem Rahmen dafür gesucht und ihn auch noch gefunden. Nirgendwo sonst in meiner Wohnung gibt es etwas Silbernes (naja, Besteck schon), und schon gar keine Rahmen in Silber. Aber hier musste es genau dieser sein, weil er die Leichtigkeit und die Helligkeit und den Sommer transportiert, die mir aus dem Bild entgegenquellen. Und das Bild musste in die Küche, weil ich mich dort sehr oft aufhalte und weil mein Blick vom Küchentisch immer fast direkt auf das Bild fällt, und ich einen kleinen Moment innehalte und mich freue, weil der Sommer entweder gerade da ist oder irgendwann wieder kommt. So ein Leuchtturm als Sommerresidenz, das wäre was, aber wenn, dann natürlich nur mit Badewanne auf der obersten Plattform, man hat ja seine Vorstellungen, vor allem, wenn sie einem so direkt vor Augen gemalt werden. Ach ja, und an der Seilwinde rechts sollte bitte das Frühstück hängen, das vorbei gebracht wird. Mit Croissant, bitte. Wenn schon, denn schon.
Ich kenne die Malerin und bin (immer noch) der Meinung, sie hat sich selbst da direkt hineingemalt, das ganze Bild ist sie, es passt eins zu eins zu ihr, als ob es ihr direkt aus den Fingern geflossen wäre. Im übertragenen Sinn, natürlich, in Form von Aquarellfarben, wir wollen hier ja keine Assoziationen von Dornröschen, Spinnrädern, Blutstropfen und hohen Türmen wecken. Mit Dornenhecken will ich zumindest auf diesem Bild nichts zu tun haben.
Neben meinem Sehnsuchtsbild von Meer, Leuchttürmen und einsamen Stränden befindet sich übrigens eine Pinnwand, an der in normalen Zeiten (also nicht in Corona-Zeiten) lauter kleine Dinge hängen, die auf schöne Dinge in der Zukunft verweisen: Eintrittskarten, zu kaufende Bücher oder CDs, Ausflugsüberlegungen, Gutscheine usw.. Eine Terminnotiz von meinem Schornsteinfeger hängt da auch, aber das macht nichts, er ist immer nett, auch, wenn er meist um 07.10 Uhr bei mir klingelt, wenn ich noch gar nicht genau weiß, wer ich bin. Neben der Schornsteinfegernotiz hängt ein kleiner Zettel, auf dem ich Namen von zukünftigen Protagonisten notiert habe. Sie existieren schon, sind aber bisher noch namenlos. Nicht, dass ihnen das etwas ausmachen würde. Sie wissen ja noch nicht, was ihnen fehlt. Höchste Zeit, mich ihnen wieder mal zu widmen.

Ein Sehnsuchtsbild von Katja Priebe, hier leider farblich eher unterirdisch wiedergegeben. In echt strahlt es und duftet nach Sommer.

Was wartet im Garten?

Im Garten wartet die Schönheit. Immer. Egal, was es für ein Garten ist. Manchmal besteht sie aus kitschigen Wassertropfen auf weißen Rosenblättern, manchmal aus den zerrupften Wühlmäusen in den Brennnesseln. Oder sie webt im Wind ihr Netz. Manchmal wirft sie dir grüne Eicheln vor die Füße.
Sie ist eng mit der Versuchung befreundet. Eigentlich ist die Versuchung rot, aber du siehst sie nie, kurz bevor du hinsiehst, ist sie weg, und du hörst nur noch die rauschende Schleppe, die sich von dir weg bewegt. Trotzdem ist sie rot, du bist dir so gut wie sicher.
Die Schönheit bringt Schönes hervor: Viel Gelächter an Küchentischen. Wolken. Nasses Gras an nackten Füßen. Seerosen. Soviel Obst in leuchtenden Farben, dass die Vögel und Wespen mitessen dürfen. Einen Garten. Zwiebeln.
Überhaupt. So viele Farben überall, und zwischendrin meine Gedanken von ganz hell und durchsichtig bis dunkelgrau und stürmisch. Es gibt Momente, da fliegen sie wie Drachen am Himmel, aber manchmal verstecken sie sich auch im Tümpel unter den Seerosen.
Das Paradies ist ein Garten. Ich gehe meine Wege und alle führen darauf zu. Und wenn ich mich verirre oder vom Weg abkomme (das passiert von Zeit zu Zeit), dann habe ich es ganz klein in der Tasche, denn man kann es zusammenfalten und mitnehmen: In einem Buch, einer Tasse Tee oder in einem Gesicht. Ich weiß nicht viel. Aber das habe ich gelernt: Das Paradies ist ein Garten.

Das Paradies ist ein Garten

Das Paradies ist ein Garten.
Der Regen dort ist freundlich.
Verbünde dich mit ihm:
Streichle alte Eichen.
Erweiche die Erde.
Sei Wolkentänzerin.
Verwandle dich im Sonnenschein.
Komm wieder.
Das Paradies ist ein Garten.
Der Regen dort ist freundlich.

Der Dienstag dichtet!  Katha kritzelt hat diese Aktion ins Leben gerufen: Jeden Dienstag wird ein Gedicht aus eigener Herstellung veröffentlicht. Auch Wortgeflumselkritzelkram und  Mutigerleben sind mit von der Partie. Wer den Dienstag also mit Gedichten beginnen will: Herzlich willkommen!

Briefe aus dem Paradies II

Liebe Angst,

ich bin tatsächlich hier, obwohl du doch immer soviele Zweifel hattest: Im Paradies. Und es ist ganz anders, als ich gedacht habe! Wenn ich denn überhaupt geglaubt habe, dass es eines gibt (was ja nicht immer der Fall war, wie du sehr wohl weißt).
Das Paradies: Es ist ein Garten. Lach nicht, das ist kein Witz: Es ist ein Garten. Es regnet hier durchaus (siehst du die Tropfen auf dem Papier?), aber es stört niemanden. Der Regen ist freundlich. Es gibt Unkraut und Wühlmäuse, und beides darf sein. Nur nicht im Übermaß. Alles hält hier Maß. Es gibt von allem, Sonne und Regen, Waffeln und Stangensellerie, aber im richtigen Verhältnis. Niemand weicht dem Schmerz aus, aber er nimmt nicht überhand. Knospen und Verblühtes stehen nebeneinander und wir sehen hin und lächeln. So ist es, so wird es sein.
Für mich gibt es Bücher. Und Mittagsschläfchen. Für andere Gesellschaft. Musik. Und Geschichten. Arbeit gibt es auch, nicht zuviel, aber auch nicht zuwenig. Man muss ab und zu müssen, sonst verliert das Dürfen an Freude.
Überhaupt: Freude. Die ist hier sehr wichtig. Große und kleine, schnelle und lange Freude, es gibt viele Arten, und du darfst dir aussuchen, welche du bevorzugst. Auch die minimale, trockene Freude, die mit einem Wimpernschlag vorbei ist, ist hier erwünscht. Alle Tränen, die du noch nicht geweint hast, darfst du hier nachholen, und wenn du damit fertig bist, geht jemand mit dir einen Kaffee trinken. Oder Tee. Es gibt einen kleinen See im Paradies, ein bisschen moosig, aber es gibt einen Steg und Libellen. Das Wasser ist kühl.
Ich sehe nicht alles hier. Manche Dinge sind nicht für mich gedacht. Das ist ok. Ich brauche keine Joggingrunde am Morgen. Für mich ist der langsame Spaziergang zum Fluß, die Liege unter dem Apfelbaum und die Bibliothek. Für dich wäre es vielleicht etwas anderes, wer weiß.
Gott kommt jeden Abend vorbei, und das ist gar nicht angsteinflößend, wie du mir immer gesagt hast. Ich freue mich auf ihn. Er fragt mich nach meinem Tag, manchmal legt er mir auch nur kurz die Hand auf die Schulter. Ich frage ihn auch nach seinem Tag, aber ich glaube, er verschweigt mir vieles. Ich liebe ihn sehr.
Noch bin ich ja nicht endgültig hier, sondern zu Besuch. Gott hat mir ein Geschenk gemacht: Er hat mir gezeigt, wie ich das Paradies mitnehmen kann. In einer Tasse Tee, einem Buch, beim Blick in den Himmel und schon ist es da, ganz nah, im Handgepäck.
Liebe Angst, es war schön, nach langer Zeit mal wieder mit dir zu schreiben. Ich bin wirklich froh, dass du Unrecht hattest. Du auch?

Deine (zuversichtliche) Stachelbeermond

mittagsfragment

13.57
Verbotenerweise ist das Fenster geöffnet. Es regnet. Auf der Scheibe liegen verlorene Eichenstückchen. Sie werden durch den Regen nicht abgewaschen. Vielleicht werden sie für den Rest der Zeiten dort kleben.

13.58
Eine Fliege hat mein Zimmer gefunden. Ich scheuche sie weg. Sie fliegt auf mein Bein. Ich scheuche sie weg. Sie fliegt auf meine Schulter. Ich scheuche sie weg. Sie fliegt auf meine Hand. Ich scheuche sie weg.

13.59
Das Bett ist weich. Die Fliege beobachtet mich. Ich schlafe ein.

 

Nein, das hat keinen tieferen Sinn. Ich fand es trotzdem faszinierend. Das Leben ist oft fragmentarisch, ohne Höhen oder Tiefen, es gleitet dahin wie Butter in einer heißen Pfanne. Das ist gleichermaßen beunruhigend und beruhigend, und das alles im selben Moment. Was wäre, wenn diese Momente nicht weniger wichtig sind als andere und wir sie nur nicht bemerken?

Und was sonst noch?

und was sonst noch: suchen, entdecken, mögen, anders langweilen. Lächeln, da sein, Es werde Licht. umsonst.

Ein kleines Collagenexperiment. Dieses Mal hat es mir gefallen, obwohl Collagen und ich sonst eher keine Freude sind. Ich hab es sogar aufgehängt! 🙂 Mal gucken, wie lange es bleiben darf.

Der Dienstag dichtet!  Katha kritzelt hat diese Aktion ins Leben gerufen: Jeden Dienstag wird ein Gedicht aus eigener Herstellung veröffentlicht. Auch Wortgeflumselkritzelkram und  Mutigerleben sind mit von der Partie. Wer den Dienstag also mit Gedichten beginnen will: Herzlich willkommen!