Pfingsten

Der Heilige Geist weht, wo er will. Er ist im besten Sinne des Wortes unabhängig und vollkommen frei. Seine Schleier fließen hinter ihm her und sind aus Worten gewebt: Liebe, Friede, Freude, Vollmacht und Güte kommen darin vor, und sie duften nach Gerechtigkeit und weitem Himmel.
Er bleibt gerne unsichtbar und unerkannt, Ruhm und Ehre liegen ihm nicht. Man erkennt ihn, wenn es heller wird in unerträglichen Stunden, wenn normale Hände auf einmal segnen können oder in unerwarteten Neuanfängen. Er pflanzt Verständnis füreinander sorgsam wie Sonnenblumen in die Erde und begießt alles, bis es selber für sich sorgen kann. Hilfe zur Selbsthilfe ist einer seiner Grundsätze, er schiebt an, bis die Dinge sich von allein voran bewegen.
Wenn der Heilige Geist sich dir widmet, fällt Licht in dein Inneres, deine hellen Gedanken wachsen und entrollen sich, du blühst wie ein alter Baum, der genau weiß, was er zu tun hat.
Angst muss man nicht vor dem Heiligen Geist haben. Er kann auch donnern und stürmen, aber es ist ein heilsamer Donner, der Situationen klärt, und der Sturm des Heiligen Geistes bringt neue Zeiten ans Licht, die ohne ihn im grauen Einerlei steckengeblieben wären.
Der Heilige Geist ist ein Tröster. Er legt sich weich wie eine Decke um deine Schultern, wenn du am Boden bist und nicht weiter weißt, er flüstert Trostworte in dein Ohr, wenn sonst nichts mehr in dich hinein geht und umgibt dich von allen Seiten, wenn es dunkel ist. Niemals ist er aufdringlich. Wenn du es nicht willst, wirst du ihn nicht bemerken, aber er ist trotzdem da.
Seine liebsten Arbeitssituationen sind dort, wo das Leben kalt und hart geworden ist, wo Eiszeit herrscht und alles Schöne in sich erstarrt ist. Er läuft dann zu Hochform auf, weht warm und blütenduftend wie der Frühling selbst, bis die gefrorenen Oberflächen zu schmelzen beginnen und sich Tauwasserbäche bilden. Ab und zu, wenn man ganz genau hinhört, kann man ihn dann leise lachen hören. Es klingt wie das zufriedene Rauschen der Wolken am Sommerhimmel, oder wie das Nicken von Margariten im Wind.

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Ich bin unzufrieden. „Warum fühle ich mich so?“ beklage ich mich.
„Du hast gerade eine schlechte Zeit“, sagt Gott und legt mir eine Hand auf die Schulter.
„Ich will das nicht. Warum änderst du das nicht?“ frage ich und fühle mich allein.
„Ich bin keine Garantie für immerwährendes Glück“, sagt Gott ernst.
Ich seufze, lang und laut. „Kann ich etwas tun?“
„Natürlich“, sagt Gott, „rede mit mir. Und klingle endlich bei deinen Nachbarn und teile dein Leid, genauso, wie du im Sommer die Freude geteilt hast.“
Ich nicke langsam. Dann ziehe ich die Schuhe an und mache mich auf den Weg.

einmal am Tag

einmal am Tag
loslassen
die Hände öffnen
die Schultern sinken lassen
nach oben schauen
offenen Auges
ein leichteres Joch auf sich nehmen
seine Freundlichkeit
wie einen Hauch
über sich hinweg streichen lassen

Der Dienstag dichtet!  
Katha kritzelt hat diese Aktion ins Leben gerufen: Dienstag ist Gedichtetag. Wer sich anschließen will, ist herzlich willkommen! Mit dabei sind:

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Wortmann
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Voller Worte
Zielstrebig
Puzzleblume
wolkenleer
Querfühlerin

Philosophierereien

Die Dinge, die am einfachsten zu bekommen sind, haben ein schlechtes Image. Angetrocknetes, geschnittenes Brot zum Beispiel. Es ist da, aber ist es verlockend oder nur der bequemste Weg, satt zu werden? Luxusfragen, ich weiß.
Oder Kirchen: Nehme ich den Raum und die Akustik wahr? Oder das komplexe System aus Glaube, Hoffnung, Liebe, das auch im Raum schwebt?
Das Wort Paradies ist in meinem Sprachschatz fest mit dem Wort Perfektion verbunden. Alles ist perfekt, alles funktioniert, nichts muss. Und dann frage ich mich, ob ich eigentlich jemals nachdenke? Perfektion ist Vollendung, Abgeschlossenheit, alles ist fertig. Wenn aber alles fertig ist, wo bin ich da drin? An mir ist gar nichts vollendet. Da stelle ich mir lieber vor, dass das Paradies entweder ein Ort ist, an dem es immer etwas Sinnvolles, Schönes zu tun gibt oder dass es so weit außerhalb meines Vorstellungsvermögens liegt, dass ich nicht weiter darüber nachdenken muss.
Oft taucht in meinem Kopf das Paradies aka „der Himmel“ als verbesserte Version der Erde auf. Vermutlich lacht Gott jedes Mal, wenn ich wieder darüber nachdenke, wer im Himmel eigentlich das Bad putzt. Einerseits ist der Gedanke surreal, andererseits: Wer bin ich, dass ich bestimme, dass niemand gern Bäder putzt? Ich kenne genau mich und dann noch etwa 45 weitere Menschen. Alle anderen kenne ich nicht. Die Frage, wessen Glück darin liegen könnte, Bäder zu putzen, habe nicht ich zu beantworten.
Überhaupt, die Frage nach dem Glück. Glück ist flüchtig wie Seifenblasen. Gerade da, schon wieder weg. Aber ich sehne mich nach dem Moment der perfekten (da haben wir es schon wieder!), schillernden Blase, bevor sie zerplatzt und produziere immer neue Blasen. Was, wenn die Erinnerung an den glücklichen Moment genauso gut ist wie der Moment selbst? Denn selbst im Moment des größten Glücks ist es angegriffen durch das Wissen um seine Vergänglichkeit.
Man könnte sich Orte suchen, an denen das Glück wohnt. Sehnsuchtsorte, an denen etwas an einem zerrt und an denen man gleichzeitig gestreichelt wird, an denen die Ruhe wohnt und von denen aus man wieder in die Welt aufbrechen möchte. Glücksorte. Sie sind gut versteckt. Man muss nach ihnen suchen wie nach Ostereiern. Sie haben etwas paradiesisches und das ist gut. Es bedeutet nämlich, sie haben eine Pforte, durch die man eintreten kann.

Über die Tiefe der Stille

Wenn du weißt, wo du suchen musst, ist die Stille sofort da. Sie breitet sich aus wie ein ruhiges, silbernes Meer, kein Windhauch bewegt ihre Oberfläche. Sie ist freundlich. Manche Menschen fürchten sie, weil sie so ausschließlich ist; du sollst keine anderen Ablenkungen haben neben mir und so weiter. Und das ist tatsächlich so. Sie räumt freundlich aber bestimmt auf, entfernt Nebensächliches, Sicherheiten, Verankerungen, bis du schließlich allein mit ihr bist. Dann fragt sie: Und? Wie ist es? Und dieses Mal lohnt es sich nicht, abzulenken, es ist ja keiner da außer dir und ihr. Meist zappelst und windest du dich nach so einer Frage, ein bisschen wie ein Aal im Netz, aber die Stille stört das nicht. Sie hat Zeit. Sie schwebt um dich herum und betrachtet dich neugierig. Ein Rest Höflichkeit lässt dich irgendwann aufhören zu zappeln, vielleicht bist du auch einfach müde und hast keine Lust mehr dazu. Und weil die Stille eine sehr gute Zuhörerin ist, fängst du an zu erzählen. Dies und das zuerst, dann das ein oder andere und schließlich bist du bei den großen Brocken angelangt. Meist fällt dir dabei auf, dass du sehr lang nicht mehr soviel von dir erzählt hast. Die Stille nickt aufmunternd. So mag sie es. Du fühlst dich frisch, aufgeladen wie ein Akku, obwohl sich ja eigentlich nichts verändert hat. Die Stille betrachtet dich belustigt. „Menschen!“ sagt sie, und dann sagt sie, dass jede Sekunde gelebte Zeit verändert, du merkst es nur nicht, weil du dich im Leben dauernd selbst überholst. Außer, du verbringst Zeit mit der Stille. Ihre silberne Oberfläche kräuselt sich, als du dich verabschiedest bis zum nächsten Mal. Als du dich im Gehen noch einmal umwendest, ist sie verschwunden, aber das stört dich nicht. Du weisst, wo du suchen musst, wenn du sie finden willst.

Gleichgewicht

ich bitte dich
um Ausgewogenheit
zwischen Vogelgesang
und Staubsauger
um tiefe Atemzüge
zwischen Erledigungen
lass mich Himmelblau sehen
wenn ich hetze
ich möchte mich spüren
wenn es Sommer wird
in gedrängten Stunden
die kleinen Blüten begrüßen
halte mich
im Gleichgewicht

Der Dienstag dichtet!  
Katha kritzelt hat diese Aktion ins Leben gerufen: Dienstag ist Gedichtetag. Wer sich anschließen will, ist herzlich willkommen! Mit dabei sind:

Mutigerleben
Wortgeflumselkritzelkrams
Werner Kastens
Nachtwandlerin
Gedankenweberei
Erinnerungswerkstatt
Lebensbetrunken
Dein Poet
Geschichte/n mit Gott
Suses Buchtraum
Wortmann
Traumspruch
Lyrik trifft Poesie
Voller Worte

Gleich viel

Kurz vor Jerusalem schickte Jesus zwei fort mit dem Auftrag:
“ ‚Lasst euch nicht kleinmachen!‘
Und wenn jemand etwas sagt, dann antwortet: ‚Alle sind gleich viel wert.‘ „
Viele Menschen aus der Menge breiteten ihre Kleider als Teppich auf die Straße, andere rissen Zweige von den Bäumen und legten sie auf den Weg. Die Menschenmenge, die Jesus vorauslief und ihm folgte, rief immer wieder:
„Du bist ein Mensch! Das ist groß!“
„Wer ist dieser Mensch?“ fragten die Leute in der Stadt.

Für den Dirigenten

Für den Dirigenten

ich bin erforscht von dir
im Voraus erkannt
meine Wege sind deine

wenn ich fliehe
ans Ende des Meeres
hält deine Hand meine

sinkt Dunkelheit in mich
lässt du sie leuchten
wie den Morgen

ich bin wunderbar verwoben
mit dir
lass mich klingen
in dir

Seen und Flüsse

Gott sticht mit der Gabel vorsichtig in die Zitronentorte und angelt nach einem Stückchen Amalfizitrone, die so schön sauer ist zwischen all der Süße. Die Berge zu machen war gut und notwendig, keine Frage, aber jetzt muss noch etwas mit dem Wasser passieren. Es müsste größere Stellen geben, an denen es sich sammeln und ausruhen kann, denkt Gott, immer unterwegs sein kann ja niemand. Jeder braucht Pausen. Ich nicht, flüstert der Heilige Geist und weht, wohin er will. Aber ich, brummt Gott und überlegt, ob er einen Ruhetag einführen sollte.

Während er über den Wassern schwebt, denkt Gott an Tiefe. Wasser müsste tief sein dürfen, ruhig und klar, und nicht zu warm. Die Oberfläche müsste weit sein, damit kleine Wellen entstehen können und damit die Sonne Kringel darauf malen kann. Während er denkt, wirft die Erde sich ihm zu Füßen und bildet einen tiefen Krater. Der nahe Fluss stürzt sich ohne Nachdenken hinein und Gott stupst seine Fingerkuppen aneinander und lächelt. Ein See! Das ist es.

Als Gott angefangen hat, kann er nicht wieder aufhören. Er macht große Seen, kleine Tümpel und solche, die fast so groß sind wie das Meer. Am liebsten würde er überall Seen haben, aber das geht nicht, das wäre ja schon wieder langweilig, also lässt er es und verstreut stattdessen Mangrovenwälder an den Küsten, füllt ein paar Vulkankrater und streut Quellen wie Konfetti über das Land. Wasser ist Leben, denkt er, und es ist wie das Leben, quecksilbrig, immer in Bewegung, aber auch immer bereit, zur Ruhe zu kommen, wenn man es lässt.

Gott sitzt am See und atmet tief ein. Hier kann man ausruhen. Die Dinge der Welt sammeln sich über der weiten Fläche und ordnen sich neu. Der Heilige Geist hat genug Platz, und überhaupt, es ist Platz über dem See! Nichts, was das Auge aufhält, nur die Ufer. Das Wasser mischt sich neu, strömt umeinander, bevor es den See wieder verlässt, bereit zu neuen Taten. Wunderbar, denkt Gott, so ist es gut, aber der Luft fehlt etwas, und das Wasser fühlt sich allein. Vielleicht sollte ich etwas machen, das fliegen kann? Wie ich?, flüstert der heilige Geist. Gott nickt. Auf jeden Fall. Und etwas, das schwimmen kann. Und danach machen wir Menschen, sagt Gott in die Luft. Die Worte prickeln wie Brausepulver.

Berge und Hügel

Als Gott fertig ist mit Himmel und Erde und Seen, lehnt er sich zurück, nimmt einen Schluck Cappuccino und betrachtet sein Werk. Doch, ganz hübsch, denkt er und betrachtet all das Blau und Grün und Braun, nicht übel, mein Alter, gar nicht übel. Ein bisschen unbelebt vielleicht. Aber das ändern wir ja noch. Wird auch Zeit. Immer nur zu dritt ist auf die Dauer auch nichts.
Er blinzelt und blickt in die Sonne, die warm auf seinen Kopf scheint, dann schaut er geradeaus, dann nach links und dann nach rechts. Flaches Land, soweit das Auge reicht. Da fehlt was. Aber was?

Gott verstreut einen weiteren Löffel Zucker auf seinem Cappuccino und schiebt sich eine knusprige Wolke Milchschaum in den Mund. Es müsste irgendwie… welliger sein, denkt er, damit man nicht sofort alles sieht. Beim Gucken muss es Geheimnisse geben, Unerwartetes. Man muss weiterwollen, damit man das nächste Geheimnis entdeckt. Er steht auf, Cappuccino hin, Cappuccino her, das hier ist wichtiger, einen Schaffensprozess sollte man nie stoppen. Ich muss Berge machen!, denkt er und die Freude schießt ihm bis in die Fingerspitzen.

Als Gott einmal angefangen hat, kann er nicht mehr aufhören, so schön ist es, die Erde aufsteigen zu lassen, immer höher und steiler, bis sie fast an den Himmel stößt. An anderen Stellen formt er sanfte Hügel und Täler, die Flüsse fließen ganz von selbst an die richtigen Stellen. So muss es sein, denkt er, während er Wälder die Abhänge emporwachsen lässt und Wasserfälle erfindet. Überall muss es etwas Neues zu entdecken geben, Langeweile ist für niemanden gut. Hab ich immer schon gesagt, flüstert der Heilige Geist und weht, wohin er will. Jaja, brummt Gott und schnipst noch ein paar Felsbrocken über die Bergflanken.

Gott steht auf dem Gipfel des höchsten Berges und ist sehr zufrieden. Vor ihm dehnt sich die Erde weiß, blau und grün, in jeder Erdfalte gibt es Schönheit zu entdecken, die Bäume wiegen sich im Wind und singen leise Lieder, duftige Wolken schweben vorbei und bleiben an den Hängen kleben. Keine Langeweile mehr, denkt er, und wenn man will, kann man beim Spazierengehen über das Auf und Ab des Lebens nachdenken. Wenn nicht, freut man sich einfach über alles, was in einem funktioniert beim Gehen, das Herz, der Wadenmuskel links unten und die Lunge, die die frische Luft atmet, während die Schweißdrüsen auf Hochtouren arbeiten. Ich weiß schon genau, wie sie sein werden, die Menschen, denkt Gott und freut sich, aber noch sind sie nicht dran. Vorher muss ich mich noch um das Wasser kümmern.