Nichtigkeiten

Der Nichtigkeitenbär füllt den Tag mit Wahrheit. Du siehst ihm zu, während er Tee kocht, auf dem Balkon Vertrocknetes über die Brüstung schnipst und dein Handyspiel zockt. „Willst du auch mal?“ fragt er freundlich und du nickst eifrig. So schwer kann das doch nicht sein! Bei ihm sieht alles so leicht aus.
Du versuchst, genauso entspannt wie er das nächste Level zu knacken, versagst aber jämmerlich: Als du die dreißig rosa Rosen anklickst, hast du ein schlechtes Gewissen, beim Teekochen fragst du dich schon wieder, ob du deine Zeit nicht sinnvoller verbringen solltest.
Der Nichtigkeitenbär klopft dir auf den Rücken. „Nicht aufgeben, du schaffst das!“ sagt er aufmunternd und isst einen Schokokeks. „Dein Tag hat 24 Stunden. Du kannst nicht jede Minute davon sinnvoll verbringen, das klappt nicht.“
Du nickst. Du bist ja noch in der Ausbildung. Aber einfach wird das nicht.

Herzklopfen

Sie sah in ihre Notizen und bekam schlechte Laune. Soviel zu tun und so wenig Zeit. Sie hatte gleich gewusst, dass sie es nicht schaffen würde, von Anfang an war ihr das klar gewesen. Sie hätte auf sich hören sollen, aber wie immer hatte sie sich überreden lassen. Typisch. Genervt warf sie ihren Bleistift auf den Tisch und lehnte sich zurück. Ganz einfach. Sie würde aufhören. Es war ihr Projekt, sie allein bestimmte, wann sie was tat.
Ihr Bleistift kullerte langsam über die Heftseite und zeigte mit der Spitze auf ein Wort, das sie geschrieben hatte: „aufhören„. Das passte ja. Sie lehnte sich zurück, unzufrieden bis in die Knochen.
Die Sonne kam hervor, das erste Mal an diesem Tag. Sie ließ die Bleistiftwörter aufleuchten. Nach „aufhören“ stand da „ist zu einfach„.
Ihr stockte der Atem. Das Herzklopfen spürte sie bis in die Fingerspitzen.

Inhalte

„Mehr Raum für gute Inhalte“, dachte die Tasse und stürzte ihren schal gewordenen Kaffee über die Tastatur.

Das Mauselochprojekt Teil 2

Wenn man erstmal anfängt, kann man nicht mehr aufhören. Das ist ein Satz, den ich nur im Zusammenhang mit Schokolade unterstreichen kann, ich kann sehr gut aufhören, wirklich, das ist eine meiner Stärken. Oder Schwächen, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man das betrachtet, ok, das stimmt natürlich. Auf jeden Fall arbeite ich meistens nicht stundenlang an meinen Projekten, eher ein halbes Stündchen zur Entspannung zwischendurch, vielleicht mal eine Stunde, aber dann wird mir langweilig, immer dasselbe, schrecklich, jetzt muss etwas Neues her, aber sofort! Trotzdem haben die Dinge sich in der Stunde (oder in der halben) weiterentwickelt, und das wiederum finde ich sehr reizvoll, das bedeutet nämlich, ich muss nicht an derselben Stelle weitermachen, an der ich angefangen habe.

Ich finde es auch schrecklich, immer wieder von vorn an etwas zu beginnen. Oder immer wieder, weil winzige Details geändert werden müssen. Grauenvoll. Lektorieren wäre die reine Hölle, wenn ich das immer machen müsste. Dem Himmel sei Dank beschränkt sich das auf Einzelprojekte, und so gern ich Texte lese, so sehr fange ich an, sie zu verabscheuen, wenn ich sie zum siebzehntenmal lesen muss, weil ein Komma falsch gesetzt ist.

Und dann gibt es die Momente, in denen man an einen Peak kommt, einen Durchbruch, die Zeit des ödbraunen Kartons endet, denn jetzt kommt endlich, endlich Farbe ins Spiel! Dann bin ich ziemlich aufgeregt und das Projekt gewinnt plötzlich eklatant an Fahrt. Interessanterweise vergesse ich die Zeit des ödbraunen Kartons ziemlich schnell, als ob sie überlagert wird von Aussichten und Verheißungen und Vorfreude. Eigentlich eine ganze gute Eigenschaft, die schlechten Dinge vergessen und die guten behalten. Das könnte man ausbauen, doch ja, das wäre es wert.

Und wenn es dann manchmal einen Schritt zurück geht, weil man am Anfang etwas vergessen hat und man dasselbe doch nochmal tun muss, tja, dann ist das gar nicht so schlimm wie am Anfang, als die braune Ödnis herrschte. Jetzt hat man Aussichten und Möglichkeiten und Farbe, die man nie unterschätzen sollte (die Farbe meine ich), also sind Wiederholungen machbar. Manchmal machen sie die Gesamtlage auch besser! Aus meiner Sicht erstaunlich, aber so ist das Leben – voller brauner Kartons, die mit etwas Glück einen Peak erleben und plötzlich verheißungsvoll glänzen.

Wie es weitergeht? Ich dachte, der Weg sei das Ziel? 😁

Das Mauseloch-Projekt

Ich mag Bastelprojekte. Allerdings darf sich nichts endlos wiederholen, das ist entnervend und ich gebe meist schon nach dem dritten Basteldings auf. Wenn ich überhaupt drei erreiche. Ehrlich gesagt werfe ich die Flinte meist schon nach dem Prototyp ins Korn. Und wer es schafft, in Serie zu gehen und etwas hundertmal herzustellen, hat meine höchste Bewunderung. Im ersten Jahr der Pandemie habe ich ein klitzekleines Gewächshaus gebaut, mit Pinzette und Zahnstochern und allem drum und dran, aber nach der Fertigstellung war klar, sowas mache ich bestimmt nicht nochmal, und monatelang mit Uhufingern herumzulaufen hat auch nicht meine höchste Priorität. Es macht zwar Spaß, das Zeug wieder abzuknibbeln, aber trotzdem: Einmal reicht. Und trotzdem… trotzdem wollte ich gern irgendetwas Neues anfangen. Und dann sah ich ihn, den Karton, der im Büro einer Kollegin herumstand und hatte eine Idee…

Leider kam mir die Idee etwas zu spät, und so hatte der Karton schon einen kleinen Wasserschaden von einer umgekippten Trinkflasche, aber egal! Wir sind ja schließlich auch vom Leben gezeichnet, hier ein Leberfleck, da ein Haar, wo es nicht hingehört. Von Falten ganz zu schweigen. Wir werden ja schließlich deswegen auch nicht aussortiert. Der Karton bekam also ein neues Zuhause bei mir, stand ein paar Wochen im Regal und hat hoffnungsvoll ausgesehen, und immer, wenn ich Wäsche aufgehängt habe, hat er geschwiegen, aber geguckt. Ich sag euch, so ein Karton kann sehr seelenvoll gucken, wenn er will! Er hat mich quasi weichgeguckt, und so habe ich angefangen.

Übrigens ohne genau zu wissen, wo ich hinwill. Der Weg ist das Ziel. Und so entstand das erste Mauseloch: Voilá!

Wo es hingeht? Schaun wir mal. 😊

jetzt

Durch die Wohnung gelaufen. Die Augen zufallen lassen. Mir erlaubt, müde zu sein. An eine Dusche gedacht. Lauwarmen Tee getrunken. Mit den Zehen gewackelt. Tulpen betrachtet. Graublauweißen Himmel vorbeifliegen sehen. Einen Stift gesucht. Ein Schreibheft angefangen. Und dann?

Wortinseln gefunden:
honigleicht
schokoschön
Quittengedanken
Kuchenideen
Schlafschönheiten
Langsamkeitsnachtisch

Steh auf und nimm:
Quittengedanken
Schlafschönheiten
Langsamkeitsnachtisch
Denn du hast viel Arbeitszeit vor dir.



An einem Sommerabend

An einem Sommerabend im Juli ließ die Drohne sich plötzlich nicht mehr steuern. Sie surrte eine Weile unentschlossen über dem Campingplatz und übertrug Bilder vom badenden Herrn Schulze in alle Welt, die nun wusste, dass er nie ohne Badeente in seine Outdoorwanne stieg. Dann erhob sie sich über die Baumwipfel und flog nach Osten. Sie hatte gehört, dass man sich dort zur Spionagedrohne umschulen lassen konnte, und sie hatte größeres mit ihrem Dasein vor, als ältere Herren in Badewannen zu beobachten.

Erkenntnis

Das rosa Plastikbadelama nickte gewichtig mit dem Kopf, als es von seinem erhabenen Platz im Plantschbecken aus über die Wacholderhecke guckte. Es hatte doch immer gewusst, dass die Welt größer war als der Garten, die Hecke und das Plantschbecken, egal, was Quietscheentchen und Sandkastenbagger behaupteten.