Dein Schweinehund handelt

Als du in die Küche kommst, sitzt dein Schweinehund am Tisch. Mit einer Pfote hält er sein Kinn, die andere liegt auf dem Tisch.
„Na?“, sagst du, „hast du auf mich gewartet?“
Er seufzt tief und lang, schüttelt leicht den Kopf und sieht dich mit einem dramatischen Wimpernaufschlag an. Du spürst, wie dein Puls in die Höhe schnellt. „Was?“ fragst du gereizt.
„Ach, ach, ach“, seufzt dein Schweinehund, „du hast es wieder getan!“ Er hebt seine Pfote vom Tisch. Da liegt die Murmel, die du heute morgen gekauft hast. Sie hat weißorangene Strudel innen und grüne Streifen und sie glänzt im Licht.
„Ja, und?“ fragst du.
„Haben wir nicht erst letzte Woche über unser Budget gesprochen? Und über sinnlose Dinge? Du hast gesagt, ich würde zuviel Geld für Fellpflege ausgeben, erinnerst du dich?“ Dein Schweinehund schubst die Murmel hin und her, sie macht kleine Kullergeräusche auf dem Tisch. „Und jetzt das!“ Er zeigt anklagend auf die orange schillernde Murmel.
„Nun…“, du versuchst Zeit zu gewinnen, „so teuer war sie gar nicht…“ Du verstummst. Mist.
Dein Schweinehund lächelnd triumphierend. „Du gibst also zu, dass du sinnlose Dinge kaufst!“
Du weißt, wann du verloren hast. „Ja“, gibst du zu.
Dein Schweinehund reckt eine Pfote in die Luft wie ein Boxer nach einem gewonnenen Kampf.
„Aber“, sagst du, „guck doch, wie schön sie ist, und ich liebe Glas, und sie erinnert mich an früher, und ich habe gesehen, dass du den Conditioner mit dem Vanilleduft gekauft hast und ihn hinter dem Shampoo versteckst.“
Dein Schweinehund verschränkt die Arme. „Das ist nicht dasselbe! Guck nur, wie verfilzt mein Fell ist!“ Er streicht mit den Pfoten auf seinem Bauch herum, an dem das Fell seidig glänzend herunterhängt. Es sieht aus wie immer.
„Ich verstehe“, sagst du verständnisvoll. Ihr schweigt eine kleine Weile.
„Was hältst du davon“, sagst du, „du kaufst deinen Conditioner und ich behalte meine Murmel?“
Dein Schweinehund knurrt leise.
„Und“, schiebst du schnell hinterher, „rein zufällig habe ich zwei Murmeln gekauft. Ich schenke dir eine, ok?“
Dein Schweinehund guckt interessiert. „Haben sie unterschiedliche Farben?“
„Ja“, sagst du.
„Darf ich aussuchen?“
„Meinetwegen.“
„Deal!“ ruft er und reicht dir die Pfote.

Der Schweinehund und die guten Vorsätze

„So“, sagt dein Schweinehund, „du hast also gute Vorsätze für´s nächste Jahr? Was denn zum Beispiel?“
„Och, nichts Großes“, sagst du, „mehr Freude, mehr Sonne, ein paar Träume Wirklichkeit werden lassen.“ Du freust dich schon, während du das aufzählst.
Dein Schweinehund sagt nichts. Er atmet tief, setzt zum Sprechen an, stoppt und atmet wieder tief. Dann setzt er seine Märtyrermiene auf.
„Was?“ fragst du eine Spur lauter als notwendig.
„Nichts“, sagt er und guckt gekränkt, „hab ich was gesagt?“
„Du hast geguckt“, sagst du, „das reicht schon.“
Dein Schweinehund stemmt die Pfoten in die Seiten. „Das ist ja mal wieder typisch! Nicht mal gucken darf ich!“
„Doch, darfst du, aber nicht auf diese Weise!“ sagst du und stemmst ebenfalls die Hände in die Seiten.
Ihr starrt euch eine Weile lang an. Du blinzelst als erstes. „Los, sag schon“, sagst du.
„Ich mein ja nur“, sagt dein Schweinehund nach ein paar Sekunden Ziererei, „jedes Jahr hast du Vorsätze und jedes Jahr verschwinden sie nach ein paar Tagen, dann bist du deprimiert und machst dir Vorwürfe und dann muss ich mich mit deiner schlechten Laune herum plagen. Können wir das nicht einfach abkürzen? Du hörst auf mit den Vorsätzen, die bringen dich sowieso nicht weiter und dann bist du nicht enttäuscht und wir sind alle prima gelaunt!“ Er guckt dich erwartungsvoll an.
Du denkst nach. Es stimmt, was er sagt. Aber trotzdem… langsam schüttelst du den Kopf.
Dein Schweinehund seufzt. „War ja klar“, sagt er.
„Naja“, sagst du, „das ist so: Wenn ich mir nichts vornehme für das nächste Jahr, läuft ja immer alles gleich weiter, wie eine lange, gerade Straße. Ich will aber Hügel! Und Kurven! Und eine Aussicht!“
Dein Schweinehund guckt skeptisch. „Meinst du nicht, dass da ganz von selbst Kurven und Berge kommen auf deiner Straße?“
Du zuckst mit den Schultern. „Schon. Aber ich möchte auch Kurven und Hügel haben, die ich mir selbst ausgesucht habe.“
Dein Schweinehund verschränkt die Arme. „Soso. Hast du bei deinen Vorsätzen auch konkrete Hügel und Aussichten oder ist das nur so ein allgemeines Gefühlsgeschwurbel?“
Du machst den Mund auf, um zu protestieren, dann schließt du ihn wieder. Verdammt.
Dein Schweinehund lächelt milde. Er legt dir eine Pfote auf die Schulter. „Siehst du? Das kann ja nichts werden. Los, machen wir uns einen Kakao und dann setzen wir uns aufs Sofa und ich erzähle dir, welche Vorteile es hat, keine Vorsätze zu haben.“
Du lächelst ebenfalls milde. Dein Schweinehund guckt alarmiert. „Kakao ist ok“, sagst du, „aber dann reden wir über konkrete Ziele für nächstes Jahr. Du zum Beispiel: Wolltest du nicht immer schon zu diesem Friseur in der Innenstadt? Der mit dem Gold-Conditioner im Schaufenster? Na?“
Dein Schweinehund kämpft mit sich. Der Conditioner gewinnt. „Meinetwegen. Ich habe mein Fell dieses Jahr wirklich sträflich vernachlässigt“, sagt er und streicht mit beiden Pfoten über seinen pelzigen Bauch.
„Siehst du?“ sagst du. „Und ich überlege, welche Aussicht ich dieses Jahr sehen werde.“
Dein Schweinehund seufzt leise. „Wir werden verreisen? Achachach…“
„Du schaffst das!“ sagst du und freust dich. Das neue Jahr kann kommen.

Pause

Du liegst auf dem Sofa, mit einer Hand angelst du matt nach der Schokolade, in der anderen Hand hältst du die Fernbedienung. Aus dem Nichts steht dein Schweinehund vor dir. Er verschränkt die Arme und guckt dich streng an.
„Was?“ sagst du. Es soll herausfordernd klingen, aber dir fehlt die Energie.
„Genau“, sagt dein Schweinehund. „Wir haben drüber gesprochen. Zwei Monate Blogpause. Also! Heute wolltest du anfangen!“
Mühsam richtest du dich auf und fühlst dich wie ein Wal im Packeis. „Niemals!“ presst du hervor und schubst ein Kissen weg. „Zwei Wochen, mehr nicht!“
Dein Schweinehund tippt mit der Pfotenspitze auf den Boden. „Anderhalb Monate!“
„Drei Wochen!“
„Ein Monat!“
„Vier Wochen!“
Er sieht dich an und du gibst dich geschlagen. „Meinetwegen. Ein Monat.“
Dein Schweinehund sieht sehr zufrieden mit sich aus. Du willst dich wieder ins Sofa zurücksinken lassen, aber dein Schweinehund stemmt seine Pfoten in deinen Rücken. „Nein-nein, jetzt gehen wir in die Küche und machen uns einen Kakao! Das muss gefeiert werden!“
„Ich mache den Kakao und du trinkst ihn“, sagst du säuerlich, aber vor deiner geistigen Nase weht ein kleines Schokoaroma durch die Luft.
„Ich mache die Marshmellows oben drauf“, verkündet dein Schweinehund und rennt vor.
Du folgst ihm. Ein Monat Blogpause. Mal sehen, wie das wird.

Dein Schweinehund macht Urlaub

Dein Schweinehund nimmt einen kleinen Schluck Birnensaft. Die Eiswürfel im Glas klackern leise. Er grunzt behaglich, lehnt sich zurück und verkreuzt die Arme über seinem Kopf. Als er die Augen schließt, explodierst du. „Himmel noch mal! Das kann doch nicht ewig so weitergehen! Du kannst doch nicht nur herumsitzen und nichts tun!“
Dein Schweinehund zuckt zusammen, richtet sich auf und sieht dich anklagend an. „Wieso erschreckst du mich so? Willst du, dass ich einen Herzinfarkt bekomme? Du weisst doch, wie schreckhaft ich bin!“ Sein Fell hat sich gesträubt und er versucht, es mit beiden Pfoten gleichzeitig wieder glatt zu streichen. „Guck! Jetzt hab ich Locken und du weißt, wie ich das hasse!“
Du atmest tief ein und versuchst, dich zu beruhigen. „Seit drei Wochen sitzt du nur hier herum! Das… das geht nicht! Das macht mich verrückt!“
„Ja, DICH macht das verrückt, aber mir geht´s pudelwohl dabei!“ Dein Schweinehund glättet die letzten Locken, spuckt in die Pfoten und fährt sich über die Ohren. „Was? Ich hab das bei Katzen gesehen, da funktioniert´s auch! Und ich halte dich nicht davon ab, all deine sinnlosen Aktivitäten zu machen, geh ruhig! Ich trinke währenddessen noch einen Birnensaft und gucke die zweite Staffel One Lane Bridge, und schon sind wir beide glücklich!“
Du guckst ihm tief in die Augen und versuchst, viel Liebe in deine Stimme zu legen. „Ich will aber nicht, dass du hier bleibst. Du sollst mit mir rausgehen und das Haus verlassen! Du vereinsamst hier drin noch!“
„Ach, Quatsch. Ich hab alles, was ich brauche, Kekse, Saft, eine funktionierende Fernbedienung, und du kommst ja auch immer wieder.“
Du könntest schwören, dass ein kleiner Seufzer unter den letzten Worten herumschwappt, aber das kann nicht sein. Oder? „Möchtest du, dass ich nicht wiederkomme?“
Dein Schweinehund seufzt tief und dramatisch. „Nein, du weisst doch, für immer und ewig, niemals werden wir uns trennen und so weiter. Aber manchmal gehst du mir auf die Nerven, wenn du so viel Streß verbreitest!“
„Streß? Ich??“ Deine Stimme steigt an.
„Jetzt zum Beispiel. Wieso soll ich unbedingt rausgehen? Ab Montag gehe ich sowieso wieder raus, dauernd, jeden Tag, weil du ja wieder zur Arbeit musst, mitgefangen, mitgehangen, immer und ewig, du weisst schon?“ Dein Schweinehund sitzt jetzt aufrecht in seinem Stuhl und gestikuliert wild mit den Armen. „Und abends musst du auch dauernd was machen, das heißt, ich verlasse zweimal am Tag das Haus, und jedesmal latsche ich die Millionen Treppenstufen…“
„Es sind 45“, wirfst du ein, aber er hört dich nicht.
„… und egal, ob es regnet, stürmt oder schneit…“
„Wir haben Sommer“, quetscht du dazwischen.
„… ich folge dir,“ dein Schweinehund sieht dich triumphierend an und zeigt mit einer Pfote auf dich, „egal, wohin du gehst! Aber jetzt, jetzt habe ich Urlaub! Und im Urlaub darf man tun, wozu man Lust hat!“ Er verschränkt die Arme und sieht dich herausfordernd an. „Hast du gesagt!“
„Ja aber…“, sagst du, aber dir fällt nichts ein. Er hat Recht. Du hast das gesagt. Eine kleine Stille tritt ein. Du überlegst. „Ok“, sagst du schließlich, „dann bleib halt hier, auch, wenn ich das absolut nicht verstehe. Ich gehe aber raus.“
„Super“, sagt dein Schweinehund zufrieden, lehnt sich zurück und angelt nach der Fernbedienung.
„Bis nachher“, sagst du und greifst nach den Haustürschlüsseln.
„Wo gehst du hin?“ fragt dein Schweinehund abwesend, während er schon nach den Serien sucht.
„In die Eisdiele“, sagst du, und während du die Tür ins Schloss ziehst, hörst du, wie er „WARTE auf mich!“ brüllt.

Der Schweinehund ist krank

Dein Schweinehund liegt dir gegenüber, er auf der einen Seite des Sofas, du auf der anderen. Er röchelt dramatisch und legt einen Arm über die Augen, dann richtet er sich mühsam auf und fängt an zu husten, als ob es sein letzter Tag mit dir wäre. Nach dem Anfall lässt er sich schwer zurück ins Kissen fallen. Du seufzt und zupfst ein neues Taschentuch aus der Box, die schon wieder fast alle ist, putzt dir die Nase und lässt es auf den Taschentuchberg neben dir fallen.
„Erzähl mir was“, fordert der Schweinehund mit geschlossenen Augen, „mir ist langweilig.“
„Mir fällt nichts ein“, sagst du matt und schniefst.
„Ach komm“, sagt dein Schweinehund, „mir zuliebe.“ Seine Schnauze zuckt, bis ein mächtiger Nieser dich anbrüllt. Er schüttelt sich und streckt die Pfote aus. „Ich brauch ein Taschentuch.“
Während du ihm eines reichst, überlegst du kurz, aber die 37,8 Grad in deinem Kopf verstopfen alle Gehirnwindungen. Trotzdem, ein Versuch schadet ja niemandem. „Also“, beginnst du, „es war einmal ein Drache. Der entführte ein edles Fräulein. Das war so schrecklich unglücklich, dass es immerzu weinte. Der Drache fragte, was er tun könne, damit es ihr besser ginge, und das Fräulein sagte, es würde so unglaublich gern häkeln, denn das sei ihre größte Leidenschaft, und ohne sie sei sie quasi nichts.“
Dein Schweinhund jault leise.
Du ignorierst ihn. „Und weil der Drache ein netter Drache war, besorgte er Nadel und Garn und ließ sich das Häkeln beibringen. Und wenn sie nicht gestorben sind, sitzen sie noch heute in der Drachenhöhle und häkeln gemeinsam.“
Dein Schweinehund guckt dich an. „Ernsthaft?“ fragt er.
„Sorry“, sagst du, „mehr ist gerade echt nicht drin. Frag mich morgen nochmal.“ Du lässt den Kopf zurücksinken und schließt die Augen.
Dein Schweinehund seufzt. „Das werde ich“, murmelt er, „das werde ich.“

Die Wortspende für die Textwochen 04/05 des Jahres 2023 stammt von Christiane und ihrem Blog Irgendwas ist immer. Sie lautet: Drache, edel und häkeln. Falls jemand aufgrund dieser Etüde auf die Idee kommen sollte, ich sei vielleicht krank: Ja! Die Grippe hat mich mal wieder erwischt, und dieser Text ist zu meiner Freude der erste seit längerer Zeit frisch geschriebene. Darauf einen Tee und ein Taschentuch! 😊

Dem Schweinehund ist heiß

Dem Schweinehund ist heiß. Sehr heiß. 😁

Du seufzt leise. Es ist heiß. 28° Grad im Wohnzimmer und kein Ende der Hitzewelle in Sicht. Ein Schweißtropfen läuft dir langsam am Ohr entlang und fällt mit einem feuchten Plupp! auf deine Schulter. Dein Schweinehund macht es dir auch nicht leichter. Seit Tagen schleicht er wie ein zusammengesunkener Topflappen durch die Wohnung und weigert sich, nach draußen zu gehen. Sein anfangs lautstarker Protest gegen die Hitze (das geht doch nicht! Es darf doch nicht so heiß sein! Warum werden Wohnungen so gebaut! Wir wollen als Ausgleich einen Pool im Hof!) ist einem wehleidigen Gejammer gewichen, das nicht weniger entnervend ist. Du lehnst dich zurück und gleich wieder nach vorn, das Sitzpolster ist viel zu warm. Es ist still in der Wohnung, nur aus dem Bad kommt ein gleichförmiges Surren. Du hebst den Kopf. Was ist das? Neugierig gehst du zum Bad und drückst die Klinke nach unten. Die Tür ist verschlossen.
„Was machst du da drin?“ rufst du. Das Surren verstummt.
„Nichts!“ sagt dein Schweinehund.
„Quatsch, ich hör dich doch. Lass mich rein!“
„Nein!“
„Willst du ein kaltes Bad nehmen?“
Dein Schweinehund stöhnt. „Wie du weißt, haben wir keine Badewanne!“
Du zuckst zusammen. Stimmt. Böser Fehler bei der Wohnungswahl. „Ach komm“, sagst du, „die meiste Zeit brauchen wir ja auch keine.“
„Tja, die meiste Zeit“, hörst du deinen Schweinehund murmeln, dann geht das Surren wieder los.
„Muss ich mir Sorgen machen?“ fragst du.
„Du bist einfach zu ungeduldig“, sagt dein Schweinehund hinter der Tür, „man muss auch mal…“ Ein jämmerliches Geheul ertönt und geht nahtlos in detailreiche Flüche über.
„Was tust du da drin?“ brüllst du.
Der Schlüssel dreht sich im Schloss und die Tür wird aufgestossen. Dein Schweinehund steht krumm vor dir und bewegt sich nicht. „Hilf mir!“ zischt er, eine Pfote am Türrahmen, die andere im Bauchfell vergraben. Eine Seite seines Körpers ist fast kahlgeschoren. Auf dem Rücken steht eine Fellreihe hoch wie ein Irokesenschnitt und im dichten Bauchfell hängt die Haarschneidemaschine, hoffnungslos verheddert. Sie surrt vor sich hin wie ein kleiner Hornissenschwarm. Du brauchst ein paar Sekunden, um zu begreifen, was du siehst, dann greifst du beherzt in die Fellmasse und schaltest die Maschine aus. Dein Schweinehund atmet auf. Dann betrachtet ihr beide die verhedderten Fellbüschel, aus denen die Haarschneidemaschine wie ein seltsamer Griff hervorragt.
„Tja“, sagst du, und verkneifst dir mit fast übermenschlicher Anstrengung das Lachen, „da müssen wir wohl mit der Schere ran.“
„Verdammt“, sagt dein Schweinehund missmutig, „und es ging so gut voran. Ich wollte dich überraschen.“
„Das ist dir gelungen“, sagst du.
„Wie findest du es?“ fragt dein Schweinehund und dreht sich zum Spiegel. „Nicht übel, oder?“
„Doch,“ sagst du, „doch, ganz ok.“
„Nur ok?“ sagt dein Schweinehund gekränkt. „Ich bin doch gut in Form, oder?“ Er posiert mit erhobenen Armen vor dem Spiegel. Die Haarschneidemaschine in seinem Fell zittert ein wenig.
„So?“ sagst du und piekst ihm in das Fellbüschel am Bauch, „und was ist das hier?“
„Ach“, er wedelt mit einer Pfote, „das ist doch nur Fell!“
„Soso“, sagst du. Während du nach der Nagelschere angelst, guckt du ihn nachdenklich an. „Sag mal, willst du auf dem Rücken eigentlich das Fell stehen lassen?“ Vorsichtig schneidest du um die Haarschneidemaschine herum, bis sie wie ein reifer Apfel zu Boden fällt.
„Nö“, sagt dein Schweinehund, „warum sollte ich? Wenn schon, denn schon! Alles muss weg, du kannst dir nicht vorstellen, wie heiß es da drunter ist!“
„Ich dachte ja nur… das würde vielleicht ganz gut aussehen. Es betont deinen Rücken, weißt du?“ Du zupfst Fell aus den Zähnen der Haarschneidemaschine.
Dein Schweinehund starrt dich an. Dann dreht und wendet er sich vor dem Spiegel. Er streicht das Fell von vorn nach hinten, dann von links nach rechts. Dann starrt er dich wieder an. „Manchmal hast du erschreckend gute Ideen. Los, los, lass uns weitermachen, du rasierst und ich halte das Fell straff, und auf dem Rücken kürzen wir es ein bisschen, dann steht es hoch!“ Er sieht begeistert aus, das erste Mal seit Beginn der Hitzewelle.
Du holst tief Atem. Was tut man nicht alles, um seinen Schweinehund bei Laune zu halten. Die Haarschneidemaschine surrt unternehmungslustig los.
„He!“ ruft dein Schweinehund und starrt dich im Spiegel an. „Warum grinst du so?“
„Weil du guter Laune bist“, sagst du.
„Weil du eine gute Idee hattest!“ sagt er und grinst auch.
Du senkst die Zacken der Haarschneidemaschine ins erste Fellbüschel. Mal sehen. Vielleicht bringst du ihn auch noch dazu, sich das Rückenfall grün färben zu lassen. Oder blau?

Dein Schweinehund und die Schreibkrise

Du legst deinen Kopf aufs Tischtuch und seufzt leidenschaftlich vor dich hin. Was sollst du nur tun? Soviele Etüden zu schreiben und was ist in deinem Kopf? Ein Flohzirkus. Oder nichts. Und das immer abwechselnd. Wobei die gähnende Leere schlimmer ist als der Flohzirkus, da bist du wenigstens abgelenkt. Seit Jahren hast du nicht mehr so selten geschrieben wie in den letzten Wochen. Was waren das für wunderbare Zeiten, als du sogar morgens in der Regionalbahn Gedichte geschrieben hast! Du lässt deinen Kopf ein paarmal auf die Tischplatte plumpsen und schielst vorsichtig zu deinem Schweinehund hinüber, der dich nicht beachtet. Das ist wieder typisch, du leidest vor dich hin und dein Schweinehund sitzt im Liegestuhl auf dem Balkon und schlürft geräuschvoll Aperol Spritz. Er lässt den Strohhalm in sein Glas fallen und richtet sich auf.
„Was?“ fragt er durch die offene Balkontür und schiebt die Sonnenbrille hoch.
„Du bist echt nicht hilfreich“, sagst du vorwurfsvoll und legst dich mit beiden Armen schwer auf den Tisch. „Wie wenig wir uns doch kennen!“
Dein Schweinehund guckt verwundert. „Wieso? Natürlich kenne ich dich! Was ist denn?“
„Ich leide!“ sagst du nachdrücklich und lässt deinen Kopf auf die Arme fallen. Er fühlt sich sehr schwer an.
„Ach, Quatsch“, sagt dein Schweinehund, lehnt sich zurück, schiebt die Sonnenbrille wieder nach vorn und nimmt einen Schluck Aperol Spritz.
„Siehst du? So ist das immer!“ Du klingst weinerlich. „Nie bist du da für mich, wenn ich dich brauche. Ich habe die größte Schreibkrise seit ever, und was tust du? In der Sonne braten und massenhaft Alkohol trinken!“
Dein Schweinehund wedelt mit der Pfote. „Das ist heute erst mein Dritter. Du bist bloß neidisch.“
„Neidisch? Worauf sollte ich denn neidisch sein?“ Deine Stimme klingt ein bisschen gequetscht, es ist schwierig mit abgeknicktem Oberkörper sarkastisch zu sein, aber das hält dich nicht auf. „Vielleicht darauf, dass du in aller Herrgottsfrühe schon ekelhaft gut gelaunt bist? Oder dass du seit Stunden im Schatten sitzt, Aperol Spritz trinkst und es dir gut gehen lässt, während ich hier verzweifle?“ Du stützt deinen Kopf auf die Hände und starrst deinen Schweinehund anklagend an.
Er starrt zurück. Zumindest nimmst du das an, er hat ja immer noch die Sonnenbrille auf. Schließlich steht er auf, stellt seinen Aperol Spritz auf den Balkontisch und stapft ins Wohnzimmer. Er setzt sich neben dich und legt dir bedeutsam eine Pfote auf die Schulter. „Du spinnst ja“, sagt er, „jetzt hör mal auf, solche Kulleraugen zu machen und reiß dich zusammen.“
Du schnaufst entrüstet und willst etwas sagen, aber er lässt dich nicht zu Wort kommen.
„Ich tue bloß das, was ich am besten kann, und du könntest es mir ja ein einziges Mal nachmachen, anstatt in Selbstmitleid zu versinken.“
„Was? Was soll ich nachmachen?“ rufst du noch viel entrüsteter.
„Nichtstun. Tu doch einfach mal nichts!“ Dein Schweinehund klopft dir auf den Rücken und du fällst fast vom Stuhl. „Trink einen Aperol Spritz mit mir! Guck in den Himmel! Und denk nicht dauernd darüber nach, wie er aussieht und wie du das aufschreiben kannst. Guck ihn einfach an!“
Du bist sprachlos.
Dein Schweinehund nickt zufrieden. „Weisst du, man muss wirklich nicht dauernd etwas tun. Manchmal reicht es auch schon, einfach vor sich hinzugucken.“
„Das hat doch diese schwedische Schriftstellerin gesagt…“ erwiderst du matt.
„Na, da hat sie aber von mir geklaut“, sagt dein Schweinehund. „Ich gehe jetzt wieder nach draußen. Kommst du mit?“
„Ich überleg noch ein bisschen“, sagst du. Du spiegelst dich in seiner Sonnenbrille. Du siehst ziemlich müde aus.
Dein Schweinehund zuckt mit den Achseln. „Bring Eis mit, wenn du kommst, meins ist geschmolzen.“
Du siehst ihm hinterher. Eine kleine Brise zerzaust sein Fell, als er wieder in den Liegestuhl sinkt.
Vielleicht solltest du eine Sommerpause machen, denkst du, aber vorher probierst du es nochmal mit einer letzten Etüde. Das wäre doch gelacht.

Das war ein Beitrag zum Etüdensommerpausenintermezzo 2022, 7 aus 12 plus den Satz „Wie wenig wir uns doch kennen“. Ich habe sieben Worte untergebracht, ich habe dreimal nachgezählt. 😊 Vielen Dank an Christiane, die das alles organisiert! Und nun werde ich tatsächlich in die Sommerpause gehen und in den Himmel gucken, aus gut gefüllten Gläsern mit viel Eis nette Dinge schlürfen und den Sommer genießen. Außer, mir fällt doch noch was ein, was aufgeschrieben werden will. Dann lesen wir uns. 😊

Dein Schweinehund besucht einen Freund

Dein Schweinehund wirft die Tür hinter sich zu und kommt pfeifend ins Wohnzimmer. „Ist noch Wackelpudding da?“ unterbricht er sein Pfeifen kurz und marschiert zielstrebig auf den Kühlschrank zu.
„Nö“, sagst du und kratzt die letzten grünen Reste aus der Packung.
„Mist!“ Dein Schweinehund guckt enttäuscht und öffnet die Kühlschranktür, nicht ohne etwas von ‚unverzeihlicher Gedankenlosigkeit beim Einkauf‘ vor sich hin zu murmeln.
Du ignorierst das. „Wo warst du?“ fragst du ihn stattdessen.
„Hab einen Freund besucht.“
Du ziehst die Augenbrauen hoch. „Einen Freund? Seit wann das denn?“
Dein Schweinehund kommt mit einem Joghurt ins Wohnzimmer geschlendert und lässt sich zu dir auf die Couch fallen. Eine kleine Staubwolke steigt auf und du fragst dich, ob sie vom Sofa oder vom Schweinehund stammt.
„Seit immer schon“, sagt dein Schweinehund, „siehst du, alles weisst du nicht über mich.“ Er knibbelt den Aludeckel vom Becher und leckt ihn ab, dann knistert er ihn zusammen.
„Aha? Und wer war das?“ Jetzt bist du wirklich interessiert.
„Der Machsbesser-Bär.“ Dein Schweinehund schwelgt im Joghurt, als wäre er himmlisches Manna.
„Wer?“ fragst du verwirrt.
„Der Machsbesser-Bär. Den kenne ich aus der Zeit, als du noch ganz klein warst und mich nicht die ganze Zeit brauchtest.“
Du ziehst eine Augenbraue hoch.
„Tja. So war das. Ich hab bei ihm gelernt. Auf jeden Fall hat er mir erzählt, dass die Zeiten für ihn gerade nicht leicht sind. Sein Mensch ist schwer zu motivieren. Das große C, schlechtes Wetter, ungewisse Aussichten, das übliche eben, du kennst das ja.“ Er fischt eine Kirsche aus dem Joghurt und lutscht darauf herum. „Aber“, er hebt eine Pfote, „es gibt einen Hoffnungsschimmer: Letzte Woche konnte er seinen Menschen dazu bringen, wenigstens mal zur Pommesbude zu gehen. Endlich hat sie mal das Haus verlassen! Er hatte sich schon ernsthafte Sorgen gemacht.“
„Haha!“ Du lachst. „Zur Pommesbude? Ich denke, er ist ein Machsbesser-Bär?“
Dein Schweinehund starrt dich an. Ein kleiner Fleck Kirschjoghurt sitzt auf seiner Nase. „Nicht SO ein Bär! Er sieht die großen Zusammenhänge! Er ist pragmatisch. Unverdrossen. Er gibt nie auf!“ Seine Augen glänzen missionarisch und seine freie Pfote fuchtelt mit dem Joghurtlöffel in der Luft herum, während er seinen Vortrag hält.
Du lehnst dich zurück. „Ok. Ich habs verstanden. Und wie kommst du ins Spiel? Was ist dein Auftrag?“
Dein Schweinehund guckt ernsthaft. „Ich? Ich bin eine schillernde Persönlichkeit mit einem reichen Innenleben und dazu da, dein Leben zu bereichern!“ Bei den letzten Worten kiekst seine Stimme ergriffen.
„Das hab ich mir gedacht“, sagst du. „Hör mal, will dein Machsbesser-Bär uns nicht besuchen kommen? Ich könnte ihn gut gebrauchen.“
„Ach, reiche ich dir nicht?“ Dein Schweinehund klingt pikiert. „Er hat gar keine Zeit im Moment. Er ist sehr beschäftigt.“
„Tja. Schade. Aber du hast vom Besten gelernt, oder?“
Dein Schweinehund guckt mißtrauisch. „Ja, schon“, sagt er gedehnt, „wieso?“
„Ich saß den ganzen Tag auf dem Sofa und bräuchte jetzt dringend eine Massage. Na? Wie wärs?“ Du grinst.
Dein Schweinehund stöhnt.

Das war ein Beitrag zu den Extraetüden, organisiert von Christiane, und unter Umständen hat mein Schweinehund einen Freund von ihr getroffen. 😁
Die Wörter für die Extraetüden seht ihr oben in der Graphik und ich habe mehr oder weniger mühevoll fünf eingebunden. Nicht mehr als 500 Wörter, locker geschafft mit 492!

Der Schweinehund und das schlechte Gewissen

Dein Schweinehund sitzt neben dir im Auto. Er guckt starr geradeaus. Du wirfst einen vorsichtigen Blick hoch zu den Fenstern, dann guckst du schnell wieder weg. „Hast du das auch gehört?“ wagst du dich aus der Deckung.
Dein Schweinehund nickt. Er zupft mit einer Pfote am Sicherheitsgurt und ruckt ihn in eine bequemere Position. „Sie klang vorwurfsvoll“, sagt er.
Du nickst. „Fand ich auch.“ Unbehaglich schiebst du dich auf dem Fahrersitz nach hinten.
„Und verlassen“, stellt dein Schweinehund sachlich fest.
Du schluckst. „Ich hab das ja nicht mit Absicht gemacht“, versuchst du dich zu verteidigen, aber es klingt jämmerlich und du weisst es.
„So?“ sagt dein Schweinehund mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Es lag nicht an ihr! Die Umstände waren schuld!“
Einen Moment lang sieht dein Schweinehund aus, als ob er seine überlegene Position ausbauen wollte, aber dann sinkt er in sich zusammen. „Ich weiß“, sagt er und seufzt. Es ist ein langer, tiefer Seufzer, und du stimmst ein.
Dann seht ihr beide zu den dunklen Fenstern eurer leeren, verlassenen, alten Wohnung hoch, und da hilft kein noch so überzeugendes Argument: Ihr kommt euch ein klein wenig schäbig vor.

Dein Schweinehund und die Bücher

„Neiiin!“ schreit dein Schweinehund, pflückt dir das Buch aus der Hand und presst es an sich. Was schwierig ist, denn er hält schon vier andere Bücher in den Pfoten. Du seufzt und greifst nach dem nächsten Buch. Dein Schweinehund beobachtet dich mißtrauisch. Er umklammert die fünf Bücher, als ob sie seine Kuscheldecke wären. Du betrachtest das Buch. Darf es mit oder geht es zum Bücherschrank? Du hast es lange nicht gelesen, was für das Mitnehmen spricht, aber es ist kein Lieblingsbuch, noch nicht einmal ein Hab-ich-gern-Buch, also wandert es auf den Bücherschrankstapel. Dein Schweinehund schreit auf und reisst das Buch an sich. Langsam gerät er in Schwierigkeiten, so lang sind seine Arme nicht.
„Hör mal“, sagst du, „ich verstehe dich ja. Aber wir können wirklich nicht alle Bücher mitnehmen. Wir haben weniger Regalplatz in der neuen Wohnung. Und wir müssen alles zwei Stockwerke hochtragen.“
Dein Schweinehund schnauft abfällig. „Ja, weil du umziehen willst! Ich will hierbleiben! Und es war deine Idee, den Fernseher ins Bücherregal zu stellen! Es heißt Bücherregal! Nicht Fernsehregal!“ Er starrt dich an.
Du versuchst zu vermitteln. „Das da, ganz oben auf deinem Stapel, das war langweilig, du erinnerst dich? Es durfte nur bleiben, weil wir auch alle anderen Bücher aus der Reihe haben.“
Dein Schweinehund guckt entrüstet. „Na und? Du hast auch langweilige Jahre in deinem Leben, aber wirfst du sie deswegen raus? Was ist mit mir?“ Er schnieft theatralisch. „Wirfst du mich auch raus, wenn ich langweilig werde?“ Er zerdrückt eine winzige Träne.
Du guckst ihn an und du kannst nicht anders, du musst grinsen. Dann drückst du ihn mit allen Büchern in den Pfoten kurz an dich. „Mein Lieber, wir trennen uns nie, und das weisst du auch.“
Dein Schweinehund zieht die Nase kraus, aber die Bücher lässt er nicht los. „Glaub ja nicht, dass du mich einwickeln kannst! Ich bin der Verteidiger der Bücher!“ ruft er und reckt eine Pfote in die Luft. Seine Bücher poltern zu Boden. Er bückt sich, um sie einzusammeln und in der Zeit legst du zwei weitere Bücher auf den Bücherschrankstapel.
„Was machst du da?“ fragt er alarmiert und schielt zu dir hinüber, drei Bücher in den Pfoten, drei auf dem Boden.
Du seufzt. Das wird ein harter Kampf.