Der Schweinehund ist krank

Dein Schweinehund liegt dir gegenüber, er auf der einen Seite des Sofas, du auf der anderen. Er röchelt dramatisch und legt einen Arm über die Augen, dann richtet er sich mühsam auf und fängt an zu husten, als ob es sein letzter Tag mit dir wäre. Nach dem Anfall lässt er sich schwer zurück ins Kissen fallen. Du seufzt und zupfst ein neues Taschentuch aus der Box, die schon wieder fast alle ist, putzt dir die Nase und lässt es auf den Taschentuchberg neben dir fallen.
„Erzähl mir was“, fordert der Schweinehund mit geschlossenen Augen, „mir ist langweilig.“
„Mir fällt nichts ein“, sagst du matt und schniefst.
„Ach komm“, sagt dein Schweinehund, „mir zuliebe.“ Seine Schnauze zuckt, bis ein mächtiger Nieser dich anbrüllt. Er schüttelt sich und streckt die Pfote aus. „Ich brauch ein Taschentuch.“
Während du ihm eines reichst, überlegst du kurz, aber die 37,8 Grad in deinem Kopf verstopfen alle Gehirnwindungen. Trotzdem, ein Versuch schadet ja niemandem. „Also“, beginnst du, „es war einmal ein Drache. Der entführte ein edles Fräulein. Das war so schrecklich unglücklich, dass es immerzu weinte. Der Drache fragte, was er tun könne, damit es ihr besser ginge, und das Fräulein sagte, es würde so unglaublich gern häkeln, denn das sei ihre größte Leidenschaft, und ohne sie sei sie quasi nichts.“
Dein Schweinhund jault leise.
Du ignorierst ihn. „Und weil der Drache ein netter Drache war, besorgte er Nadel und Garn und ließ sich das Häkeln beibringen. Und wenn sie nicht gestorben sind, sitzen sie noch heute in der Drachenhöhle und häkeln gemeinsam.“
Dein Schweinehund guckt dich an. „Ernsthaft?“ fragt er.
„Sorry“, sagst du, „mehr ist gerade echt nicht drin. Frag mich morgen nochmal.“ Du lässt den Kopf zurücksinken und schließt die Augen.
Dein Schweinehund seufzt. „Das werde ich“, murmelt er, „das werde ich.“

Die Wortspende für die Textwochen 04/05 des Jahres 2023 stammt von Christiane und ihrem Blog Irgendwas ist immer. Sie lautet: Drache, edel und häkeln. Falls jemand aufgrund dieser Etüde auf die Idee kommen sollte, ich sei vielleicht krank: Ja! Die Grippe hat mich mal wieder erwischt, und dieser Text ist zu meiner Freude der erste seit längerer Zeit frisch geschriebene. Darauf einen Tee und ein Taschentuch! 😊

Dem Schweinehund ist heiß

Dem Schweinehund ist heiß. Sehr heiß. 😁

Du seufzt leise. Es ist heiß. 28° Grad im Wohnzimmer und kein Ende der Hitzewelle in Sicht. Ein Schweißtropfen läuft dir langsam am Ohr entlang und fällt mit einem feuchten Plupp! auf deine Schulter. Dein Schweinehund macht es dir auch nicht leichter. Seit Tagen schleicht er wie ein zusammengesunkener Topflappen durch die Wohnung und weigert sich, nach draußen zu gehen. Sein anfangs lautstarker Protest gegen die Hitze (das geht doch nicht! Es darf doch nicht so heiß sein! Warum werden Wohnungen so gebaut! Wir wollen als Ausgleich einen Pool im Hof!) ist einem wehleidigen Gejammer gewichen, das nicht weniger entnervend ist. Du lehnst dich zurück und gleich wieder nach vorn, das Sitzpolster ist viel zu warm. Es ist still in der Wohnung, nur aus dem Bad kommt ein gleichförmiges Surren. Du hebst den Kopf. Was ist das? Neugierig gehst du zum Bad und drückst die Klinke nach unten. Die Tür ist verschlossen.
„Was machst du da drin?“ rufst du. Das Surren verstummt.
„Nichts!“ sagt dein Schweinehund.
„Quatsch, ich hör dich doch. Lass mich rein!“
„Nein!“
„Willst du ein kaltes Bad nehmen?“
Dein Schweinehund stöhnt. „Wie du weißt, haben wir keine Badewanne!“
Du zuckst zusammen. Stimmt. Böser Fehler bei der Wohnungswahl. „Ach komm“, sagst du, „die meiste Zeit brauchen wir ja auch keine.“
„Tja, die meiste Zeit“, hörst du deinen Schweinehund murmeln, dann geht das Surren wieder los.
„Muss ich mir Sorgen machen?“ fragst du.
„Du bist einfach zu ungeduldig“, sagt dein Schweinehund hinter der Tür, „man muss auch mal…“ Ein jämmerliches Geheul ertönt und geht nahtlos in detailreiche Flüche über.
„Was tust du da drin?“ brüllst du.
Der Schlüssel dreht sich im Schloss und die Tür wird aufgestossen. Dein Schweinehund steht krumm vor dir und bewegt sich nicht. „Hilf mir!“ zischt er, eine Pfote am Türrahmen, die andere im Bauchfell vergraben. Eine Seite seines Körpers ist fast kahlgeschoren. Auf dem Rücken steht eine Fellreihe hoch wie ein Irokesenschnitt und im dichten Bauchfell hängt die Haarschneidemaschine, hoffnungslos verheddert. Sie surrt vor sich hin wie ein kleiner Hornissenschwarm. Du brauchst ein paar Sekunden, um zu begreifen, was du siehst, dann greifst du beherzt in die Fellmasse und schaltest die Maschine aus. Dein Schweinehund atmet auf. Dann betrachtet ihr beide die verhedderten Fellbüschel, aus denen die Haarschneidemaschine wie ein seltsamer Griff hervorragt.
„Tja“, sagst du, und verkneifst dir mit fast übermenschlicher Anstrengung das Lachen, „da müssen wir wohl mit der Schere ran.“
„Verdammt“, sagt dein Schweinehund missmutig, „und es ging so gut voran. Ich wollte dich überraschen.“
„Das ist dir gelungen“, sagst du.
„Wie findest du es?“ fragt dein Schweinehund und dreht sich zum Spiegel. „Nicht übel, oder?“
„Doch,“ sagst du, „doch, ganz ok.“
„Nur ok?“ sagt dein Schweinehund gekränkt. „Ich bin doch gut in Form, oder?“ Er posiert mit erhobenen Armen vor dem Spiegel. Die Haarschneidemaschine in seinem Fell zittert ein wenig.
„So?“ sagst du und piekst ihm in das Fellbüschel am Bauch, „und was ist das hier?“
„Ach“, er wedelt mit einer Pfote, „das ist doch nur Fell!“
„Soso“, sagst du. Während du nach der Nagelschere angelst, guckt du ihn nachdenklich an. „Sag mal, willst du auf dem Rücken eigentlich das Fell stehen lassen?“ Vorsichtig schneidest du um die Haarschneidemaschine herum, bis sie wie ein reifer Apfel zu Boden fällt.
„Nö“, sagt dein Schweinehund, „warum sollte ich? Wenn schon, denn schon! Alles muss weg, du kannst dir nicht vorstellen, wie heiß es da drunter ist!“
„Ich dachte ja nur… das würde vielleicht ganz gut aussehen. Es betont deinen Rücken, weißt du?“ Du zupfst Fell aus den Zähnen der Haarschneidemaschine.
Dein Schweinehund starrt dich an. Dann dreht und wendet er sich vor dem Spiegel. Er streicht das Fell von vorn nach hinten, dann von links nach rechts. Dann starrt er dich wieder an. „Manchmal hast du erschreckend gute Ideen. Los, los, lass uns weitermachen, du rasierst und ich halte das Fell straff, und auf dem Rücken kürzen wir es ein bisschen, dann steht es hoch!“ Er sieht begeistert aus, das erste Mal seit Beginn der Hitzewelle.
Du holst tief Atem. Was tut man nicht alles, um seinen Schweinehund bei Laune zu halten. Die Haarschneidemaschine surrt unternehmungslustig los.
„He!“ ruft dein Schweinehund und starrt dich im Spiegel an. „Warum grinst du so?“
„Weil du guter Laune bist“, sagst du.
„Weil du eine gute Idee hattest!“ sagt er und grinst auch.
Du senkst die Zacken der Haarschneidemaschine ins erste Fellbüschel. Mal sehen. Vielleicht bringst du ihn auch noch dazu, sich das Rückenfall grün färben zu lassen. Oder blau?

Dein Schweinehund und die Schreibkrise

Du legst deinen Kopf aufs Tischtuch und seufzt leidenschaftlich vor dich hin. Was sollst du nur tun? Soviele Etüden zu schreiben und was ist in deinem Kopf? Ein Flohzirkus. Oder nichts. Und das immer abwechselnd. Wobei die gähnende Leere schlimmer ist als der Flohzirkus, da bist du wenigstens abgelenkt. Seit Jahren hast du nicht mehr so selten geschrieben wie in den letzten Wochen. Was waren das für wunderbare Zeiten, als du sogar morgens in der Regionalbahn Gedichte geschrieben hast! Du lässt deinen Kopf ein paarmal auf die Tischplatte plumpsen und schielst vorsichtig zu deinem Schweinehund hinüber, der dich nicht beachtet. Das ist wieder typisch, du leidest vor dich hin und dein Schweinehund sitzt im Liegestuhl auf dem Balkon und schlürft geräuschvoll Aperol Spritz. Er lässt den Strohhalm in sein Glas fallen und richtet sich auf.
„Was?“ fragt er durch die offene Balkontür und schiebt die Sonnenbrille hoch.
„Du bist echt nicht hilfreich“, sagst du vorwurfsvoll und legst dich mit beiden Armen schwer auf den Tisch. „Wie wenig wir uns doch kennen!“
Dein Schweinehund guckt verwundert. „Wieso? Natürlich kenne ich dich! Was ist denn?“
„Ich leide!“ sagst du nachdrücklich und lässt deinen Kopf auf die Arme fallen. Er fühlt sich sehr schwer an.
„Ach, Quatsch“, sagt dein Schweinehund, lehnt sich zurück, schiebt die Sonnenbrille wieder nach vorn und nimmt einen Schluck Aperol Spritz.
„Siehst du? So ist das immer!“ Du klingst weinerlich. „Nie bist du da für mich, wenn ich dich brauche. Ich habe die größte Schreibkrise seit ever, und was tust du? In der Sonne braten und massenhaft Alkohol trinken!“
Dein Schweinehund wedelt mit der Pfote. „Das ist heute erst mein Dritter. Du bist bloß neidisch.“
„Neidisch? Worauf sollte ich denn neidisch sein?“ Deine Stimme klingt ein bisschen gequetscht, es ist schwierig mit abgeknicktem Oberkörper sarkastisch zu sein, aber das hält dich nicht auf. „Vielleicht darauf, dass du in aller Herrgottsfrühe schon ekelhaft gut gelaunt bist? Oder dass du seit Stunden im Schatten sitzt, Aperol Spritz trinkst und es dir gut gehen lässt, während ich hier verzweifle?“ Du stützt deinen Kopf auf die Hände und starrst deinen Schweinehund anklagend an.
Er starrt zurück. Zumindest nimmst du das an, er hat ja immer noch die Sonnenbrille auf. Schließlich steht er auf, stellt seinen Aperol Spritz auf den Balkontisch und stapft ins Wohnzimmer. Er setzt sich neben dich und legt dir bedeutsam eine Pfote auf die Schulter. „Du spinnst ja“, sagt er, „jetzt hör mal auf, solche Kulleraugen zu machen und reiß dich zusammen.“
Du schnaufst entrüstet und willst etwas sagen, aber er lässt dich nicht zu Wort kommen.
„Ich tue bloß das, was ich am besten kann, und du könntest es mir ja ein einziges Mal nachmachen, anstatt in Selbstmitleid zu versinken.“
„Was? Was soll ich nachmachen?“ rufst du noch viel entrüsteter.
„Nichtstun. Tu doch einfach mal nichts!“ Dein Schweinehund klopft dir auf den Rücken und du fällst fast vom Stuhl. „Trink einen Aperol Spritz mit mir! Guck in den Himmel! Und denk nicht dauernd darüber nach, wie er aussieht und wie du das aufschreiben kannst. Guck ihn einfach an!“
Du bist sprachlos.
Dein Schweinehund nickt zufrieden. „Weisst du, man muss wirklich nicht dauernd etwas tun. Manchmal reicht es auch schon, einfach vor sich hinzugucken.“
„Das hat doch diese schwedische Schriftstellerin gesagt…“ erwiderst du matt.
„Na, da hat sie aber von mir geklaut“, sagt dein Schweinehund. „Ich gehe jetzt wieder nach draußen. Kommst du mit?“
„Ich überleg noch ein bisschen“, sagst du. Du spiegelst dich in seiner Sonnenbrille. Du siehst ziemlich müde aus.
Dein Schweinehund zuckt mit den Achseln. „Bring Eis mit, wenn du kommst, meins ist geschmolzen.“
Du siehst ihm hinterher. Eine kleine Brise zerzaust sein Fell, als er wieder in den Liegestuhl sinkt.
Vielleicht solltest du eine Sommerpause machen, denkst du, aber vorher probierst du es nochmal mit einer letzten Etüde. Das wäre doch gelacht.

Das war ein Beitrag zum Etüdensommerpausenintermezzo 2022, 7 aus 12 plus den Satz „Wie wenig wir uns doch kennen“. Ich habe sieben Worte untergebracht, ich habe dreimal nachgezählt. 😊 Vielen Dank an Christiane, die das alles organisiert! Und nun werde ich tatsächlich in die Sommerpause gehen und in den Himmel gucken, aus gut gefüllten Gläsern mit viel Eis nette Dinge schlürfen und den Sommer genießen. Außer, mir fällt doch noch was ein, was aufgeschrieben werden will. Dann lesen wir uns. 😊

Dein Schweinehund besucht einen Freund

Dein Schweinehund wirft die Tür hinter sich zu und kommt pfeifend ins Wohnzimmer. „Ist noch Wackelpudding da?“ unterbricht er sein Pfeifen kurz und marschiert zielstrebig auf den Kühlschrank zu.
„Nö“, sagst du und kratzt die letzten grünen Reste aus der Packung.
„Mist!“ Dein Schweinehund guckt enttäuscht und öffnet die Kühlschranktür, nicht ohne etwas von ‚unverzeihlicher Gedankenlosigkeit beim Einkauf‘ vor sich hin zu murmeln.
Du ignorierst das. „Wo warst du?“ fragst du ihn stattdessen.
„Hab einen Freund besucht.“
Du ziehst die Augenbrauen hoch. „Einen Freund? Seit wann das denn?“
Dein Schweinehund kommt mit einem Joghurt ins Wohnzimmer geschlendert und lässt sich zu dir auf die Couch fallen. Eine kleine Staubwolke steigt auf und du fragst dich, ob sie vom Sofa oder vom Schweinehund stammt.
„Seit immer schon“, sagt dein Schweinehund, „siehst du, alles weisst du nicht über mich.“ Er knibbelt den Aludeckel vom Becher und leckt ihn ab, dann knistert er ihn zusammen.
„Aha? Und wer war das?“ Jetzt bist du wirklich interessiert.
„Der Machsbesser-Bär.“ Dein Schweinehund schwelgt im Joghurt, als wäre er himmlisches Manna.
„Wer?“ fragst du verwirrt.
„Der Machsbesser-Bär. Den kenne ich aus der Zeit, als du noch ganz klein warst und mich nicht die ganze Zeit brauchtest.“
Du ziehst eine Augenbraue hoch.
„Tja. So war das. Ich hab bei ihm gelernt. Auf jeden Fall hat er mir erzählt, dass die Zeiten für ihn gerade nicht leicht sind. Sein Mensch ist schwer zu motivieren. Das große C, schlechtes Wetter, ungewisse Aussichten, das übliche eben, du kennst das ja.“ Er fischt eine Kirsche aus dem Joghurt und lutscht darauf herum. „Aber“, er hebt eine Pfote, „es gibt einen Hoffnungsschimmer: Letzte Woche konnte er seinen Menschen dazu bringen, wenigstens mal zur Pommesbude zu gehen. Endlich hat sie mal das Haus verlassen! Er hatte sich schon ernsthafte Sorgen gemacht.“
„Haha!“ Du lachst. „Zur Pommesbude? Ich denke, er ist ein Machsbesser-Bär?“
Dein Schweinehund starrt dich an. Ein kleiner Fleck Kirschjoghurt sitzt auf seiner Nase. „Nicht SO ein Bär! Er sieht die großen Zusammenhänge! Er ist pragmatisch. Unverdrossen. Er gibt nie auf!“ Seine Augen glänzen missionarisch und seine freie Pfote fuchtelt mit dem Joghurtlöffel in der Luft herum, während er seinen Vortrag hält.
Du lehnst dich zurück. „Ok. Ich habs verstanden. Und wie kommst du ins Spiel? Was ist dein Auftrag?“
Dein Schweinehund guckt ernsthaft. „Ich? Ich bin eine schillernde Persönlichkeit mit einem reichen Innenleben und dazu da, dein Leben zu bereichern!“ Bei den letzten Worten kiekst seine Stimme ergriffen.
„Das hab ich mir gedacht“, sagst du. „Hör mal, will dein Machsbesser-Bär uns nicht besuchen kommen? Ich könnte ihn gut gebrauchen.“
„Ach, reiche ich dir nicht?“ Dein Schweinehund klingt pikiert. „Er hat gar keine Zeit im Moment. Er ist sehr beschäftigt.“
„Tja. Schade. Aber du hast vom Besten gelernt, oder?“
Dein Schweinehund guckt mißtrauisch. „Ja, schon“, sagt er gedehnt, „wieso?“
„Ich saß den ganzen Tag auf dem Sofa und bräuchte jetzt dringend eine Massage. Na? Wie wärs?“ Du grinst.
Dein Schweinehund stöhnt.

Das war ein Beitrag zu den Extraetüden, organisiert von Christiane, und unter Umständen hat mein Schweinehund einen Freund von ihr getroffen. 😁
Die Wörter für die Extraetüden seht ihr oben in der Graphik und ich habe mehr oder weniger mühevoll fünf eingebunden. Nicht mehr als 500 Wörter, locker geschafft mit 492!

Der Schweinehund und das schlechte Gewissen

Dein Schweinehund sitzt neben dir im Auto. Er guckt starr geradeaus. Du wirfst einen vorsichtigen Blick hoch zu den Fenstern, dann guckst du schnell wieder weg. „Hast du das auch gehört?“ wagst du dich aus der Deckung.
Dein Schweinehund nickt. Er zupft mit einer Pfote am Sicherheitsgurt und ruckt ihn in eine bequemere Position. „Sie klang vorwurfsvoll“, sagt er.
Du nickst. „Fand ich auch.“ Unbehaglich schiebst du dich auf dem Fahrersitz nach hinten.
„Und verlassen“, stellt dein Schweinehund sachlich fest.
Du schluckst. „Ich hab das ja nicht mit Absicht gemacht“, versuchst du dich zu verteidigen, aber es klingt jämmerlich und du weisst es.
„So?“ sagt dein Schweinehund mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Es lag nicht an ihr! Die Umstände waren schuld!“
Einen Moment lang sieht dein Schweinehund aus, als ob er seine überlegene Position ausbauen wollte, aber dann sinkt er in sich zusammen. „Ich weiß“, sagt er und seufzt. Es ist ein langer, tiefer Seufzer, und du stimmst ein.
Dann seht ihr beide zu den dunklen Fenstern eurer leeren, verlassenen, alten Wohnung hoch, und da hilft kein noch so überzeugendes Argument: Ihr kommt euch ein klein wenig schäbig vor.

Dein Schweinehund und die Bücher

„Neiiin!“ schreit dein Schweinehund, pflückt dir das Buch aus der Hand und presst es an sich. Was schwierig ist, denn er hält schon vier andere Bücher in den Pfoten. Du seufzt und greifst nach dem nächsten Buch. Dein Schweinehund beobachtet dich mißtrauisch. Er umklammert die fünf Bücher, als ob sie seine Kuscheldecke wären. Du betrachtest das Buch. Darf es mit oder geht es zum Bücherschrank? Du hast es lange nicht gelesen, was für das Mitnehmen spricht, aber es ist kein Lieblingsbuch, noch nicht einmal ein Hab-ich-gern-Buch, also wandert es auf den Bücherschrankstapel. Dein Schweinehund schreit auf und reisst das Buch an sich. Langsam gerät er in Schwierigkeiten, so lang sind seine Arme nicht.
„Hör mal“, sagst du, „ich verstehe dich ja. Aber wir können wirklich nicht alle Bücher mitnehmen. Wir haben weniger Regalplatz in der neuen Wohnung. Und wir müssen alles zwei Stockwerke hochtragen.“
Dein Schweinehund schnauft abfällig. „Ja, weil du umziehen willst! Ich will hierbleiben! Und es war deine Idee, den Fernseher ins Bücherregal zu stellen! Es heißt Bücherregal! Nicht Fernsehregal!“ Er starrt dich an.
Du versuchst zu vermitteln. „Das da, ganz oben auf deinem Stapel, das war langweilig, du erinnerst dich? Es durfte nur bleiben, weil wir auch alle anderen Bücher aus der Reihe haben.“
Dein Schweinehund guckt entrüstet. „Na und? Du hast auch langweilige Jahre in deinem Leben, aber wirfst du sie deswegen raus? Was ist mit mir?“ Er schnieft theatralisch. „Wirfst du mich auch raus, wenn ich langweilig werde?“ Er zerdrückt eine winzige Träne.
Du guckst ihn an und du kannst nicht anders, du musst grinsen. Dann drückst du ihn mit allen Büchern in den Pfoten kurz an dich. „Mein Lieber, wir trennen uns nie, und das weisst du auch.“
Dein Schweinehund zieht die Nase kraus, aber die Bücher lässt er nicht los. „Glaub ja nicht, dass du mich einwickeln kannst! Ich bin der Verteidiger der Bücher!“ ruft er und reckt eine Pfote in die Luft. Seine Bücher poltern zu Boden. Er bückt sich, um sie einzusammeln und in der Zeit legst du zwei weitere Bücher auf den Bücherschrankstapel.
„Was machst du da?“ fragt er alarmiert und schielt zu dir hinüber, drei Bücher in den Pfoten, drei auf dem Boden.
Du seufzt. Das wird ein harter Kampf.

Der Schweinehund und der Tannenbaum

Draußen schneeregnet es und der Himmel ist sturmwolkenblau. Entschlossen suchst du alles zusammen, was du brauchst und guckst dabei immer wieder zu deinem Schweinehund, der unter einer Decke auf dem Sofa liegt. Er schnarcht leise vor sich hin, aber du könntest schwören, dass du ihn vorhin zweimal beim Blinzeln ertappt hast. Als du den Weihnachtsbaumständer auf die Bodendecke mit den kleinen Glöckchen stellst, öffnet er die Augen und setzt sich aufrecht hin. Du wappnest dich.
„Was machst du?“ fragt er.
„Wonach sieht es aus?“ fragst du zurück.
Er gähnt ausgiebig und gestattet dir einen Blick auf prachtvolle, scharfe Zähne. Du guckst strafend. „Was?“ fragt er unschuldig, verkneift sich aber ein weiteres Gähnen. Dann springt er auf und stellt sich neben dich. „Müssen wir schon wieder einen Weihnachtsbaum kaufen gehen?“
Du rollst die Augen. „Was heißt hier schon wieder? Den letzten haben wir vor zwölf Monaten gekauft! Du erinnerst dich? Drama, bevor wir rausgegangen sind, Drama, während wir ihn ausgesucht haben, dann musste ich dir eine Tannennadel aus der Pfote ziehen, und dann sind dir meine Lieblingskugeln runtergefallen.“
„Ich konnte nichts dafür, sie waren so kugelig und du weisst doch, ich habe Pfoten.“
„Die jeden Keks sehr geschickt festhalten können!“
„Ach!“ Dein Schweinehund wedelt abwehrend mit der Pfote. „Alles Schnee von gestern. Und? Kaufen wir einen Weihnachtsbaum?“
Du starrst ihn an. „Willst du etwa einen kaufen?“
Dein Schweinehund wiegt den Kopf hin und her. „Ich komm ja sowieso nicht drumherum, oder?“
Du musterst ihn mißtrauisch.
„Was?“ Dein Schweinehund sieht dich entrüstet an. „Ich nehme nur den Weg des kürzesten Widerstands!“
„Des geringsten.“
„Was?“
„Des geringsten Widerstands.“ Du guckst ihm in die Augen, dann piekst du ihm einen Finger in die pelzige Seite. Er zuckt zusammen und quieckt. „Du WILLST einen Weihnachtsbaum kaufen! Du magst das!“ Du grinst.
„Ach, Schnickschnack“, dein Schweinehund wedelt abschätzig mit einer Pfote, „ich bin ein Schweinehund, ich brauche keine Tannenbäume, ich mache das alles nur für dich!“
Dein Grinsen wird breiter. „Klar.“
Dein Schweinehund schüttelt hoheitsvoll den Kopf. „Was du immer glaubst. Wenn du das brauchst.“
Du schnappst dir immer noch grinsend Portemonnaie und Schlüssel. „Los, komm. Wir suchen jetzt den schönsten Baum, den wir finden können.“
Dein Schweinehund ist vor dir an der Tür. „Können wir auch wieder Marzipankekse an die Zweige hängen?“
Du schliesst die Tür. „Sicher. Aber nur, wenn du Glitzer auf die Zapfen streust.“
Dein Schweinehund hüpft die Treppenstufen hinunter. „Silber oder Gold?“ ruft er.
„Beides!“ antwortest du.

Dein Schweinehund und das Regal

Du trabst zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her und packst Dinge in Kartons. Es ist viel zu tun, du hast überraschend viele Dinge, und du könntest Hilfe brauchen. Dein Schweinehund sitzt auf dem Sofa und starrt die Wand an. Ärgerlich stemmst du die Hände in die Hüften. „Was tust du da?“ fragst du.
„Siehst du doch“, antwortet dein Schweinehund.
„Was? Dass du die Wand anstarrst?“
Dein Schweinehund seufzt tief und lang. „Du siehst aber auch gar nichts, oder?“ fragt er. Es klingt mitleidig.
Du antwortest lauter als notwendig. „Ich sehe sehr viele Kartons, die alle ich gepackt habe!“
„Und du machst das gut“, sagt dein Schweinehund und redet schnell weiter, bevor du antworten kannst. „Guck mal, da war gerade noch das Regal mit unseren Lieblingsbüchern und mit der Lampe, die immer so schönes Licht gemacht hat, und die kleinen Sängerinnen aus Ton, bei denen du so gute Laune bekommen hast, und jetzt ist da nichts mehr.“
Du atmest ein. „Ja, weil ich das alles eingepackt habe!“
„Genau! Und ich vergleiche das Vorher mit dem Jetzt. Guck!“ Er starrt die Wand an und öffnet und schließt seine Augen langsam. „Jetzt ist das Regal da und alles ist wie vorher. Und jetzt“, er öffnet seine Augen, „jetzt ist es weg. Und weisst du was? Jedes Mal, wenn ich die Augen öffne, kapiere ich ein bisschen mehr, dass es weg ist.“ Er sieht dich erwartungsvoll an.
Du holst Luft, aber dann sagst du doch nichts. Stattdessen setzt du dich zu deinem Schweinehund auf das Sofa. „Zeig´s mir“, sagst du zu ihm, „ich weiß nicht, wie das geht.“
Dein Schweinehund lächelt. „Das ist nicht schwer. Mach einfach die Augen zu. Guck, so.“
Und dann schließt ihr beide die Augen und euer Lieblingsregal steht wieder genauso da wie vorher.

Dein Schweinehund zieht um

Du stellst die Tasse mit heißem Kaffee auf das Tablett, gießt Milch dazu und legst Schokokekse auf einen Teller, dann trägst du das ganze zum Sofa. Vorsichtig setzt du dich neben die Decke und wedelst den Kaffeegeruch in Richtung Decke.
Nichts.
„Hör mal“, sagst du, „so schlimm ist es doch auch nicht. Wir schaffen das schon. Guck mal, es gibt Schokokekse.“
Die Decke atmet schwer.
„Und Kaffee“, sagst du und pustest den Kaffeedampf über die Decke.
Die Decke atmet lauter, dann schiebt dein Schweinehund den Kopf hervor und sieht dich anklagend an. „Wie kannst du mir das antun?“ fragt er mit matter Stimme. Sein Fell ist zerzaust. „Magst du mich denn gar nicht?“
„Ach Quatsch, ich mag dich sehr, deswegen ziehen wir ja um.“
Dein Schweinehund heult auf. „Nenn dieses Wort nicht! Ich kriege Kopfschmerzen davon!“
„Tschuldigung. Keks?“
Dein Schweinehund ignoriert die Kekse. Ein schlechtes Zeichen. „Ich kann nicht essen, wenn uns so schlimme Zeiten bevorstehen! Weisst du noch, beim letzten Mal, als wir umge… den Ort gewechselt haben?“ Er jault leise. „Das war schlimm! Alles durcheinander! Überall noch Sachen, die wir vergessen hatten einzupacken! Und wir haben den Keller vergessen! Komplett! Und als alle dachten, wir wären fertig, mussten wir noch den Keller verpacken!“ Er jault lauter. „Und dann die ersten Wochen in der neuen Wohnung, es war schrecklich, wir haben uns kaum getraut, vor die Tür zu gehen!“
„Du übertreibst. Wir haben bloß ein bisschen gebraucht, um uns einzugewöhnen, das ist alles.“
Dein Schweinehund schüttelt kummervoll den Kopf. „Wenn du das glauben willst…“ Er schüttelt die Decke ab und setzt sich aufrecht hin. „Überleg doch mal: Wir müssen packen. Kartons besorgen. Streichen. Und dafür die Farbe kaufen. Welche Farben überhaupt? Willst du etwa wieder so komplizierte Dinge mit den Wänden machen? Und wer trägt die Waschmaschine? Die ist doch viel zu schwer für uns! Und wie konntest du bloß zustimmen, in den zweiten Stock zu ziehen?“ Er wedelt hektisch mit den Pfoten und zeigt auf alles mögliche. „Wir müssen alles hochtragen! Und vorher runter!“ Er zerwühlt verzweifelt sein Fell unter den Ohren.
„Ganz ruhig“, versuchst du ihn zu beruhigen. „Wir haben ja Hilfe. Das klappt schon. Eins nach dem anderen. Wir haben genügend Zeit für alles.“
Dein Schweinehund lässt sich der Länge nach aufs Sofa fallen. „Wir werden untergehen. Es wird ein Chaos. Du wirst mich auf dem Weg zur neuen Wohnung verlieren!“ Er starrt dich an. „Wo ziehen wir hin? Ich brauche die Adresse!“
Du verziehst keine Miene. „Du kennst den Weg, mein Lieber.“
„Aber was, wenn ich ihn vergesse!“
„Dann rufst du mich an.“
„Ich habe kein Handy!“ Er sieht dich anklagend an. „Du wolltest ja nicht, dass ich ein eigenes Handy bekomme!“
„Das haben wir doch schon hundertmal besprochen.“ Jetzt seufzt du. „Hör mal. Ich vergesse dich nicht, du wirst den Weg finden, wir werden das schaffen. Ich versprech es dir. Kaffee?“ Du hältst deinem Schweinehund die Tasse hin.
„Ist der koffeinfrei? Du weisst doch, wie schnell ich mich aufrege.“
Du starrst deinen Schweinehund bohrend an. Er nimmt die Tasse und schlürft geräuschvoll. „Danke. Das hab ich gebraucht. Sind die Schokokekse mit Karamell?“
Du nickst.
Dein Schweinehund nimmt einen Keks und beisst hinein. „Tschuerst kümmern wir unsch aber um meine Decken, ja? Die kommen als erschtes in die Kartonsch.“
„Das können wir machen. Dann bist du aber auch der Erste, der hier keine Decken mehr hat.“
„Oh.“ Dein Schweinehund starrt dich mit halbgegessenem Keks in der Pfote entsetzt an.
Du grinst. „Du kannst eine von meinen haben.“
Dein Schweinehund atmet geräuschvoll aus, ein paar Krümel fliegen durch die Luft. „Isch hasse umziehen.“
„Ich weiß.“ Du nimmst dir einen Keks. „Und jetzt lass uns über Farbkonzepte reden. Was hältst du von gelb-orange im Wohnzimmer?“
Dein Schweinehund stöhnt leise.

Die ersten Bücher, die neue Wege gehen durften.

Der Schweinehund schreibt mit links

Der Schweinehund schreibt mit links

„Guck mal!“, rufst du, „ich kann mit links schreiben!“ Du betrachtest voller Begeisterung die unförmigen Buchstaben, die du mit links vollbracht hast. ‚Mit links schreiben ist toll‘ steht da, und mit etwas Fantasie kann man es auch lesen. Du bewegst die Finger deiner linken Hand hin und her. Erstaunlich, was die alles können. „Du solltest das auch mal probieren!“ rufst du deinem Schweinehund zu.
„Nö“, antwortet er aus der Küche.
„Aber es ist toll! Echt! Das fühlt sich total anders an als sonst, so… so… neu!“
Dein Schweinehund kommt mit einer Tasse Kakao in der Pfote ins Schreibzimmer. „Schön für dich“, murmelt er und balanciert die übervolle Tasse vorsichtig auf den Tisch.
„Voller hättest du´s nicht machen können?“ fragst du spöttisch.
„Doch, aber dann wäre es übergeschwappt.“ Dein Schweinehund pustet auf die sahnige Haube.
Du seufzt innerlich, aber dann kommst du wieder aufs Wesentliche zurück. „Probiers doch mal aus! Ich sag dir, das ist, als ob man wieder neu schreiben lernt! Guck mal, so sieht es bei mir aus.“ Du hältst ihm das Papier unter die Nase.
Dein Schweinehund wirft einen kurzen Blick drauf. „Eine echte Meisterleistung. Wahnsinn.“
„Nicht?“ Du nickst eifrig und betrachtest verliebt deine links geschriebenen Worte.
„Was soll das da heissen?“ Dein Schweinehund tippt auf das Wort ’schreiben‘.
„Schreiben!“ erklärst du eifrig.
Dein Schweinhund grinst.
Du spitzt die Lippen. „Du nimmst mich nicht ernst.“
„Ich nehme dich immer ernst“, erklärt dein Schweinehund ernst, „aber kann es sein, dass du in letzter Zeit zu viel zuhause warst?“
„Wieso?“ fragst du.
„Naja, vorhin hast du den Herd geschrubbt und mir erklärt, dass man mit Zahnbürsten erstaunliche Putzergebnisse hinbekommt. Dann hast du eine gelbe Birne in die Lampe gedreht und irgendwas von ‚am Strand und gleichzeitig zu Hause‘ gerufen. Und jetzt das hier.“ Er hält dein Papier in der Pfote.
Du schniefst beleidigt. „Ach Quatsch“, sagst du herablassend, „du solltest es einfach mal ausprobieren, ehrlich.“
„Gib her“, sagt dein Schweinehund, nimmt deinen Stift und schreibt mit der linken Pfote etwas aufs Papier. „Bitteschön.“
„Geht doch!“ rufst du und greifst nach dem Papier. ‚Wir sollten einen Ausflug machen. Der Metzgerladen ist noch geöffnet.‘ steht da. Die Schrift sieht sauber und flüssig aus, im Gegensatz zu deinen krakeligen Versuchen. Du guckst verdutzt hoch.
„Ich bin Linkspfoter“, sagt dein Schweinehund grinsend. „Wollen wir? Die Würstchen vom Metzger sind die besten.“