Herr Miesling geht einkaufen
Die letzte Scheibe Brot ist aufgegessen, im Kühlschrank schwimmt nur noch eine einsame Gewürzgurke im Essigglas. Es hilft nichts, Herr Miesling muss einkaufen gehen. Brummig schiebt er seinen Einkaufswagen durch die Schiebetüren, lässt die Obst- und Gemüseabteilung links liegen und biegt zielstrebig in Richtung Konserven ab. Eine Dose Mockturtle, ein Kartoffel-Würstchen-Eintopf und Linsensuppe landen in seinem Wagen. Als er weiterschieben will, zupft sein Engel ihn am Ärmel. Er hält ihm einen grünen Apfel hin.
Herr Miesling verzieht das Gesicht. „Och, nee. Is ja nett, aber du weisst doch, ich bin nich so´n Grünzeugesser.“
Sein Engel guckt ihn auffordernd an. Der Apfel glänzt in seiner Hand.
Herr Miesling schüttelt den Kopf. „Ne, wirklich nich. Du kannst ihn ja nehmen, wenn du willst. Ich kauf ihn für dich. Ich hab elf Euro, da isser noch drin.“
Sein Engel seufzt unhörbar und verschwindet zwischen den Regalen.
Herr Miesling schiebt weiter und sammelt eine Packung Graubrot, eine Tüte Schwarzbrot, Margarine und Leberwurst ein. Vor den Salamiwürsten bleibt er kurz stehen und rechnet, dann geht er weiter. Heute nicht. Nächste Woche fängt der neue Monat an, dann hat er was, auf das er sich freuen kann.
Kurz vor der Kasse zupft sein Engel ihn wieder am Ärmel.
Herr Miesling bleibt stehen. „Na? Haste dich umentschieden?“
Sein Engel hält ihm eine Dose geschälte Pfirsiche hin.
„Pfirsiche?“ Herr Miesling betrachtet die Dose von allen Seiten. „Hm. Für mich?“
Sein Engel nickt.
„Aha. Wie teuer is sie denn? Passt das noch?“
Sein Engel nickt wieder.
„Na dann. Warum nich. Is mal was anderes.“ Er lässt die Dose in den Einkaufswagen fallen. „Bild dir aber nich ein, dass das zur Gewohnheit wird, hörste?“
Sein Engel lächelt.
Herr Miesling bleibt stehen. „Du bist ganz schön gerissen, weisste das?“
Sein Engel zuckt mit den Schultern.
Dann gehen sie zur Kasse.