Meine Bücher finden mich ja auf höchst unterschiedliche Weise. Dieses hier wurde mir in einer sehr schweren Tüte überreicht, zusammen mit sieben weiteren Büchern, mit den Worten: Wenn du sie bekommst, bin ich zufrieden, da weiß ich, sie sind in besten Händen. Jaaaa… abgesehen davon, dass ich freiwillig wohl keins davon gekauft oder ausgeliehen hätte. Aber man wächst ja mit seinen Herausforderungen, und so habe ich nun also Kolibri gelesen. Wie der Name der Autorin schon vermuten lässt, handelt es sich um einen der zahllosen skandinavischen Thriller, die einen mit ihrer Eiseskälte schaudern lassen. Dieser hier spielt in Finnland, in einer Stadt, in der der Sommer gerade zu Ende geht. Der Herbst kommt und mit ihm Kälte, Regen und Dunkelheit, und obwohl der Sommer sich noch einmal aufbäumt, weiß man schon, das der Herbst natürlich gewinnen wird. Und niemand, wirklich niemand mag den Herbst in diesem Buch. Wie auch die wenigsten Leute ihr Leben mögen in diesem Buch. Unglückliche Ehen, Affairen ohne Ende, Depressionen überall, alte Erinnerungen, die besser alt geblieben wären bilden mit zuviel Alkohol verhängnisvolle Allianzen, und die darauffolgenden Kater (Katers? Katere? Käter? Wie auch immer.) sind beeindruckend beschrieben. Dazu noch ein paar Morde, die einem auch noch den Sport verleiden, und fertig ist das Buch.
Interessant ist es, wenn die Ermittlerin mit ungarisch-serbischen Wurzeln ihre Gefühle von Anderssein in der finnischen Gesellschaft beschreibt, wie sehr man sich nicht dazugehörig fühlen kann, obwohl man finnisch besser spricht als die Muttersprache und die meiste Zeit seines Lebens in Finnland verbracht hat. Das ewige Dilemma der Einwanderer der zweiten Generation, die zwischen den Ländern hin- und herhüpfen und doch nirgends richtig ankommen.
Kolibri ist ein grundsolider skandinavischer Krimi, das Wort Thriller möchte ich hier eigentlich vermeiden, denn das Ganze läuft doch eher unaufgeregt vor sich hin. Die Ermittlerin ist gut beschrieben, die einzelnen Figuren ebenfalls, solide, nicht herausragend, aber ok. Wer düster dräuende, nebeltropfende, graue Landschaft mag und Menschen, die versuchen, darin zu überleben, haben hier ein paar Stunden Finnland-Gefühl in Buchform.
