Zimmerreise um das ebook

Bei puzzleblume werden Zimmereisen veranstaltet, und da die echten Reisen zur Zeit ja durchaus Mangelware sind, habe ich beschlossen, daran teilzunehmen und im Gegenzug andere mit auf meine Reisen zu nehmen. Daher gibt es hier meine dritte Zimmerreise zum Buchstaben E wie ebook.

Und wieder ist es Zeit für eine kleine Zimmerreise, dieses Mal zu meinem ebook. Ich hoffe, die ersten Leserinnen und Leser verlassen jetzt nicht fluchtartig diesen kleinen Beitrag, denn wirklich: Das ebook hat auch gute Seiten! Wirklich! Natürlich verstehe ich all die emotionalen Reaktionen, wenn das böse Wort fällt, denn ich habe sie ja auch alle durchgemacht. Ich meine, ernsthaft: Geht irgendetwas über das Gefühl, ein richtiges Buch in der Hand zu halten, seine Seiten sanft mit dem Daumen anzublättern, liebevoll über den hoffentlich irgendwie geprägten Einband zu streicheln? Nein, natürlich nicht. Ich liebe Bücher. Aber, manchmal, in bestimmten Situationen, in den unbequemen Falten des Alltags, da findet man plötzlich ein ebook in einer unerwarteten Ecke und es ist hilfreich. Unfassbar.
Mein ebook also sieht ganz unspektakulär aus, es kann keine Farbe, es bleibt bescheiden schwarzweiß, ab und zu hängt es sich an den endlosen Buchstabenreihen auf, so dass ich es per Stecknadel und ein bisschen Vodoo neu starten muss. Der Akku ist nicht mehr der jüngste und behauptet ständig, er wäre erst fünfzig, dabei ist er schon neunundneunzig. Es muss hinten auf dem Rücken ständig meine Fingerabdrücke ertragen, obwohl ich hingebungsvoll an ihm herumwische, und in den Tiefen seines Speichers sind ein paar Umschlageinbände verschwunden, so dass es beim Schlafen nicht das gerade gelesene Buch anzeigt, sondern irgendeines, das schon gar nicht mehr in ihm ist. Man könnte sagen, es träumt von vergangenen Leben, und das wäre dann ja auch irgendwie richtig, oder?
Es ist mittlerweile nicht mehr ganz uptodate, obwohl es zum Zeitpunkt unseres schicksalhaften Zusammentreffens hip und auf der Höhe der Zeit war. Wie ich früher. Wir passen also wunderbar zusammen.
In meinen Besitz ist es gekommen, weil ich in einem Anfall von Entschlussfreudigkeit beschlossen habe, an der Technik des 21. Jahrhunderts nicht nur in Form von Handy und PC teilzunehmen, sondern auch mit einem ebook. Damals stellte ich mir aufgeregt vor, wie ich gelassen und tiefenentspannt mit einer tausend Bände umfassenden Bibliothek in der Bahn sitzen würde und niemals wieder in die schreckliche Lage kommen würde, nichts passendes zu lesen zu haben.
Mit nonchalanter Geste würde ich mein elegantes ebook aus der Tasche holen und anfangen zu lesen, während um mich herum alle in Verzweiflung angesichts wiederholter Bahnverspätungen ausbrechen würden. Tsja. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass es mir überhaupt keinen Spaß machen würde, dauernd eine Unzahl von möglichen Büchern um mich herum zu haben und dass das ebook nach und nach zu einem nervzermürbenden Nervzwerg in der Tasche mutieren würde.
Scheinbar gehöre ich zu den Lesern, die lieber nur eine kleine Anzahl noch zu lesender Bücher um sich haben wollen und nicht tausende. Außerdem möchte ich sie selber aussuchen und sie mir nicht von einem Algorithmus vorschlagen lassen.
Was soll ich sagen, das ebook war beleidigt. Es beschloss, für ein paar Jahre in einer staubigen Schublade zu verschwinden und sich seinen Akku fast zu Tode zu grämen ob seiner plötzlichen Unbeliebtheit. Ich fühlte mich ein bisschen schuldig, hatte aber zu viel Freude an den Papierbüchern, bis, ja bis eines Tages ein Urlaub anstand, in den ich nicht die üblichen sieben Bücher mitnehmen konnte – das schreckliche Wort „Übergepäck“ schwebte im Raum. Und da kam mir das verschmähte ebook wieder in den Sinn. Ich holte es aus der Schublade, belebte den Akku wieder (der seitdem behauptet, erst fünfzig sein, aber schon 99 ist), lud etwa zwanzig Bücher drauf und nahm es mit auf große Reise. Plus zwei echten Papierbüchern, man weiß ja nie! Was, wenn das ebook mitten in der Auszeit beschlösse, nun sei es genug, und wenn man schon die Bühne verlassen müsse, solle man das möglichst spektakulär tun und die Leserin in der größtmöglichen Verzweiflung zurücklassen!
Was soll ich sagen, die Papierbücher habe ich umsonst mitgenommen, mein ebook versieht seitdem stoisch seinen Dienst, ab und zu muss ich es aus misslichen Lagen retten. Ich meine, wer will schon mitten in der schlimmsten Thrillerszene ewig festhängen? Nicht mal ein ebook, schätze ich. Und so nutze ich es für Ausflüge, Reisen und in Zeiten des großen C. (der schwarze Herr Covid) für die kontaktlose Ausleihe von Bibliotheksbeständen. Ich hoffe, es bleibt noch lange bei mir, wir sind ein gutes Team geworden, und ich würde es ungern missen.
Das war der Buchstabe E! Zimmerreise beendet, und wenn mein ebook gerade nicht guckt, kann ich nun wieder die guten Papierbücher liebevoll in Händen halten… 😊

11 Gedanken zu „Zimmerreise um das ebook

  1. Ein verwirrtes eBook-Gerät – das muss man einfachauch etwas liebhaben! Ich sehe das ähnlich wie du: es ist ein Lesegerät, das man nicht mit dem Papierbuchlesen vergleichen kann, aber man vergleicht auch nicht Gummistiefel mit Abendschühchen, sondern schätzt sie bei der jeweils passenden Gelegenheiten für ihre Fähigkeiten.
    Mein altes Schwarzweisschen habe ich zwar durch einen modernerenn Typ ersetzt, aber dieser ist ein guter Begleiter auf Reisen oder überallhin, wo man mal wartend herumsitzen muss. Ich lese darauf auch gern pdf-Dateien, die ich im Web zu irgendeinem Thema interessant genug gefunden habe. Es ist eine tolle Ergänzung, so ein eBook-Reader, und mit den Einstellungsmöglichkeiten von Kontrasten und Schrifttypen kann sich mancher Mensch das Leseleben ganz angenehm erleichtern.

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    • Ich mag es auch, mein hübsches eBook, auch, wenn es etwas verwirrt ist zwischendurch… 😊 manchmal wird es mittlerweile durch mein Handy ersetzt, das kann das nämlich auch alles. Manchmal frage ich mich, wie viele elektronische Speichergeräte in den letzten Jahren ausgetauscht wurden. Wahnsinn!

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      • Möchte ich mir auch nicht vorstellen, aber es gibt keinen grund, warum man sich daran ebenso exzessis beteiligen sollte, zur um immer mit einem neuen Modell vornedran zu sein. Mein Schwarzweisschen funktioniert jedenfalls noch tadellos und wird gelegentlich von den Kindern benutzt. Lesen auf dem Handy? Würde ich nicht in Betracht ziehen. Ist mir viel zu klein.

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  2. Ich schwanke noch,aber eher aus Unlust mich in Gebrauchsanweisungen einlesen zu müssen, denn aus Ablehnung 🤗 Ersatz wäre es nie, aber als Zusatz ist es sicherlich nützlich. Deins verhält sich irgendwie schon wieder menschlich🤗

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    • 😊 Es hat Charakter! Ich kann dich sehr gut verstehen, die Gebrauchsanweisungen, die hasse ich auch, und wenn das nächste Gerät fällig ist, ist wieder alles anders. Das könnten sich die Damen und Herren Ingenieure und Produktdesigner auch mal durch die Köpfe gehen lassen… finde ich. Morgengrüße aus dem Schneetreiben! 😊

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  3. Nein, ich brauche kein Ebook, aber Deines mag ich, denn das leichte Verwirrtsein in manchen Situationen, das kenme ich von mir selbst gut 🙂
    Ich muß Seiten blättern, das bedruckte Papier vor mir haben, vor- und nachlesen können und wenn ich selbst UND mein E-Book unter Verwirrtsein leiden, dann wird das nix mit dem entspannten Lesen.
    Liebe Grüße von Bruni

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