Ich sag dir

„Ich sag dir, Andreas, du hast wirklich was verpasst heute, stell dir vor, ich war auf dem Weg zum Markt, um Öl zu kaufen, du weisst ja, wir hatten keines mehr, weil Abigail es vorgestern umgekippt hat, ungeschickt, wie sie ist, ich war also auf dem Weg zum Markt. Und wen sehe ich da? Rebekka! Mit fünf oder sechs Männern, wütend waren die, geschubst haben sie sie, ihr Mann war auch dabei, und soll ich dir was sagen? Sie war fast nackt! Ich wusste doch die ganze Zeit, dass da was läuft mit Ismael, und sie hatten sie wohl auf frischer Tat ertappt, vielleicht hatte ihr Mann ihr eine Falle gestellt, auf jeden Fall waren sie auf dem Weg zum Markt, und dann saß da dieser neue Rabbi, weißt du, dieser Mann, der so seltsame Dinge sagt, und sie haben sie vor ihm zu Boden geworfen und gefragt, was auf Ehebruch steht! Ehebruch! ich wusste es doch, hab ich´s nicht gesagt? Und weisst du was? Er hat gar nichts getan, irgendwas hat er gesagt, ich hab´s nicht verstanden, und dann hat er auf der Erde herum gemalt, ich meine, wer macht denn sowas, auf der Erde rummalen? Und dann sind sie alle gegangen, einer nach dem anderen, und zum Schluss saß nur noch Rebekka da, dann haben sie irgendwas gesprochen und dann ist sie auch gegangen! Wo gibt´s denn sowas? Ehebruch und nichts passiert? Was ist denn das für ein Rabbi? Da schicken wir unseren Sohn aber nicht hin, hörst du? Ich möchte wissen, wo Rebekka jetzt ist, zurück konnte sie ja wohl nicht mehr. Oder? Andreas? Hörst du mir überhaupt zu? Das Öl? Das habe ich vergessen.“

2 Gedanken zu „Ich sag dir

  1. Schöner Perspektivenwechsel. Ja, so unverständlich muss der seltsame Rabbi damals den Leuten vorgekommen sein. Und bedrohlich durch seine „ketzerischen“ Ansichten verbunden mit einem großen Charisma. Kein Wunder, dass sie ihn am Kreuz sehen wollten…
    Wie verbindet sich für dich das „Plakat“ mit den pfingstlichen Worten mit dieser Geschichte? Ist es das Thema Frieden?

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