Der Schweinehund ist krank

Dein Schweinehund liegt dir gegenüber, er auf der einen Seite des Sofas, du auf der anderen. Er röchelt dramatisch und legt einen Arm über die Augen, dann richtet er sich mühsam auf und fängt an zu husten, als ob es sein letzter Tag mit dir wäre. Nach dem Anfall lässt er sich schwer zurück ins Kissen fallen. Du seufzt und zupfst ein neues Taschentuch aus der Box, die schon wieder fast alle ist, putzt dir die Nase und lässt es auf den Taschentuchberg neben dir fallen.
„Erzähl mir was“, fordert der Schweinehund mit geschlossenen Augen, „mir ist langweilig.“
„Mir fällt nichts ein“, sagst du matt und schniefst.
„Ach komm“, sagt dein Schweinehund, „mir zuliebe.“ Seine Schnauze zuckt, bis ein mächtiger Nieser dich anbrüllt. Er schüttelt sich und streckt die Pfote aus. „Ich brauch ein Taschentuch.“
Während du ihm eines reichst, überlegst du kurz, aber die 37,8 Grad in deinem Kopf verstopfen alle Gehirnwindungen. Trotzdem, ein Versuch schadet ja niemandem. „Also“, beginnst du, „es war einmal ein Drache. Der entführte ein edles Fräulein. Das war so schrecklich unglücklich, dass es immerzu weinte. Der Drache fragte, was er tun könne, damit es ihr besser ginge, und das Fräulein sagte, es würde so unglaublich gern häkeln, denn das sei ihre größte Leidenschaft, und ohne sie sei sie quasi nichts.“
Dein Schweinhund jault leise.
Du ignorierst ihn. „Und weil der Drache ein netter Drache war, besorgte er Nadel und Garn und ließ sich das Häkeln beibringen. Und wenn sie nicht gestorben sind, sitzen sie noch heute in der Drachenhöhle und häkeln gemeinsam.“
Dein Schweinehund guckt dich an. „Ernsthaft?“ fragt er.
„Sorry“, sagst du, „mehr ist gerade echt nicht drin. Frag mich morgen nochmal.“ Du lässt den Kopf zurücksinken und schließt die Augen.
Dein Schweinehund seufzt. „Das werde ich“, murmelt er, „das werde ich.“

Die Wortspende für die Textwochen 04/05 des Jahres 2023 stammt von Christiane und ihrem Blog Irgendwas ist immer. Sie lautet: Drache, edel und häkeln. Falls jemand aufgrund dieser Etüde auf die Idee kommen sollte, ich sei vielleicht krank: Ja! Die Grippe hat mich mal wieder erwischt, und dieser Text ist zu meiner Freude der erste seit längerer Zeit frisch geschriebene. Darauf einen Tee und ein Taschentuch! 😊

17 Gedanken zu „Der Schweinehund ist krank

  1. Och menno, ihr Ärmsten, das ist ja ein fürchterliches Drama im Hause Stachelbeermond! Ich kann mir das richtig gut vorstellen, leider. Ich wünsche baldige und vollständige Genesung! Vielleicht kann sich der Schweinehund ja auch mit einer Geschichte revanchieren? 😉
    Herzliche Abendgrüße 🌧️😷🍵🥤🍪

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    • Ogottogott, ne, bloß nicht, wenn der Schweinehund krank ist, sind seine Geschichten voller Drama, Herzschmerz und vollerTränen, ich glaube, das halte ich gerade nicht aus. 😁 Danke für die guten Wünsche, ich bin vorsichtig optimistisch, dass ich seit heute auf dem aufsteigenden Ast sitze. 😤😷😊

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  2. Mein Gott – oder Ihrer halt … passen Sie doch bitte auf, daß Sie nicht auch noch Fräulein Honigohr in Ihren Teufelskreis integrieren und eine fröhliche Reniflements-à-trois – Runde bilden. Wie Sie wissen, liegt sie mir sehr am Herzen; respective ihre Gesundheit – nicht auszudenken, könnte sie wegen eines Schnupfens nicht bei der nächsten Vernissage mit von der Partie sein – vorzugsweise mit neuen Berichten von Koch- oder Radfahrabenteuern.
    Gute Besserung, ergreifen Sie den Ast ;-!

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    • Fräulein Honigohr ist nicht da. Vermutlich ist sie auf ihrer alljährlichen Freude-Wiederseh-Tour, da verschwindet sie immer für ein paar Wochen spurlos. Keine Sorge also! Wenn man nichts hört, geht´s ihr gut. 🙂
      Danke der guten Wünsche, ich bessere mich von Tag zu Tag… 😁

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  3. Ach du schreck, alle sind erkältet und nun auch noch der Schweinehund.

    Liebe Viren und Bakterien
    bleibt weg von stachelbeermonds Gefährten und macht alle ganz schnell wieder gesund, sonst klappt das nicht so gut mit dem Häkeln
    Gute Besserung wünsche ich ringsum

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  4. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 06*07*08*09**23 | Wortspende von Myriade | Irgendwas ist immer

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