Der Garten wird größer

Der Garten wird größer

Der Garten ist eine trostlose Öde, immer schon. Er gehört ein bisschen den Erdgeschossmietern, zum größten Teil aber niemandem, wenn man von den Amseln absieht. Die Erdgeschossmieter feiern und spielen ab und zu darin, pflanzen oder gießen tun sie nicht. Der Rasen ist trocken und sonnenverbrannt, die ehemalige Hecke besteht aus einem wurzeligen Erdwall. Ein einsamer, namenloser Busch wächst zwischen Zaun und Hauswand. Ein namenloser Busch vor einer kahlen Hauswand hinter einem Metallzaun, der einen trockenen Erdwall begrenzt. Geht es trostloser?
Vor ein paar Tagen, an einem warmen Abend, ist irgendetwas in mich gefahren. Es hat mich in den Keller gehen lassen, mir dort den Liegestuhl in den Arm gedrückt und hat mich neben den Busch auf das trockene Gras gesetzt. Etwas seltsames geschah. Der Garten wurde größer. Der Himmel höher. Der namenlose Busch wurde zum grünen Lebewesen. Kleine, graue Schmetterlinge flatterten über das Gras. Amseln erschraken sich beim Staubbaden, als sie sich umdrehten und mich sahen.
Es gibt mehr Radfahrer in unserer Straße, als ich vermutet hatte. Ich kenne jetzt die Schatten. Ich weiß, wann sie wo sind. Es stört kein bisschen, dass mich jeder sehen kann. Ich kann ja auch alle sehen. Neulich hat der Nachbar gelächelt und gegrüßt. Mein linker Arm hat einen kleinen Sonnenbrand, weil der Schatten nicht so wollte wie ich.
Ich werde den Busch Harry nennen. Harry, fahr schon mal den Schatten vor, ich komme gleich. Der Garten hat sich verändert, obwohl sich nichts verändert hat. Er ist groß geworden. Ein kleines Stück davon gehört jetzt mir. Und den Amseln natürlich.

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