Ausgelesen: Das neunte Haus. Von Leigh Bardugo.

Ich habe eine ausgesprochene Vorliebe für Bücher von Leigh Bardugo, man gucke hier und hier, daher war es klar, dass ich das hier auch lesen werde. Das neunte Haus spielt nicht in Ketterdam (schade eigentlich), sondern an der Ostküste der USA in New Haven. Vielleicht musste die Autorin mal etwas anderes um sich haben als Grischas und Diebesbanden, und das ist ihr gelungen.
Alex Stern ist noch relativ neu in New Haven, nach einer verkorksten Kindheit und Jugend wurde ihr hier eine neue Chance auf ein anderes Leben geboten, im Tausch gegen eine seltene Fähigkeit: Sie kann Geister sehen, und zwar in Farbe. Das ist etwas Besonderes. Die Mitglieder des neunten Hauses müssen ein kompliziertes, ausnehmend abscheulich schmeckendes und wirkendes Gebräu mit sehr unangenehmen Nebenwirkungen trinken, um Geister sehen zu können: In Grau. Nicht in Farbe, wie Alex. Sie hat für das neunte Haus eine Menge Dinge zu erledigen, die anderen acht Magie wirkenden Studentenverbindungen im Auge zu behalten zum Beispiel, Rituale zu überwachen, und soll nebenbei auch noch ein ganz normales Studium absolvieren, was schwierig ist mit ihren lückenhaften Schulkenntnissen. Als ein Mord geschieht, möchten alle Beteiligten eine einfache Aufklärung ohne große Hintergrundnachforschungen, aber Alex hat da so ein Gefühl…
Ein Mordfall in einer kleinen, mächtigen Community, die viel zu verlieren und viele Leichen im Keller hat, eine Ermittlerin wider Willen, die nicht aus diesem Milieu stammt und ein Tutor, der eigentlich selbst noch in der Ausbildung ist, das sind die Grundbausteine, aus denen dieser Fantasy-Krimi besteht. Leigh Bardugo entwirft eine Welt neben der eigentlichen Welt, allerdings ist die eigentliche Welt sehr von New Haven abhängig. Im Grunde werden hier alle Bausteine hergestellt, mit denen man in Politik, Kunst und Wirtschaft erfolgreich sein kann, und so ist New Haven der Geburtsort von Leitern, Künstlern, Präsidenten und Wirtschaftsmagnaten, die immer wieder hierher zurückkommen. Niemand ist daran interessiert, dass eine unbedeutende Jungstudentin in ihren Kreisen herum kratzt und Dinge ans Tageslicht befördert, die besser weit unten im Schlamm geblieben wären.
Die New Haven Welt ist gelungen, keine Frage. Die Charaktere ebenfalls, einige bleiben ein bisschen blaß, aber das macht nichts, denn umso mehr Zeit wird in Alex Stern investiert, in ihren Tutur Darlington und in die Campuswelt. Es wird konsequent aus Alex´ Sicht erzählt, nur ein paar Mal tauchen wir in Darlingtons Leben ein, und diese Passagen haben mir sehr gut gefallen und mich ein bisschen an Maggie Stiefvaters Raven Boys erinnert: Ein bisschen versponnen, wie mit goldenem Licht überzeichnet. Alex Stern dagegen ist rau, klar und kantig, sie behält ihre Geheimnisse für sich und erklärt sich nicht, wenn Menschen sie fragend ansehen, sie ist bereit, sehr weit zu gehen, um Antworten zu erhalten und sie versteckt ihre weicheren Seiten unter abweisenden Blicken. Die Campuswelt ist dunkel, mit ein paar goldenen und blutroten Glanzpunkten, fast jeder hier verfolgt eigene Ziele und ist berauscht von all der Macht, die so leicht verfügbar zu sein scheint. Die ganz normalen Studenten, die es hier auch gibt, gehen etwas unter in dieser überbordenden Gothic Noir Welt, was ein bisschen schade ist.
In der Mitte hat das Buch ein paar Längen, ein bisschen weniger Ermittlungsarbeit hätte ihm nicht geschadet, aber letztendlich macht das nichts, das Buch saugt einen schnell wieder ein und zum Ende hin nimmt es noch einmal mächtig an Fahrt auf. Leider ist Band zwei noch nicht in Sicht. Ich werde auf jeden Fall dabei sein, wenn er erscheint.

Ausgelesen: Das Labyrinth von London. Von Benedict Jacka.

Tja. Nun ist es passiert. Ich bin verliebt. Dummerweise lebt mein Held zwischen Buchseiten, und so gern wir Buchverrückten das auch hätten: Bisher konnte bis auf Meggie, Mo und Capricorn noch niemand in Bücher hineintauchen. So bleibt mir also nur, diese Rezension zu schreiben.

Alex Verus versucht, ein unauffälliges Leben in London zu leben. Er hat einen kleinen Zauberladen, in dem er ganz normale Zaubertricks verkauft, unter der Theke allerdings handelt er mit echten magischen Dingen. Außerdem ist er nicht ganz so normal, wie es anfangs aussieht: Er kann in die nahe Zukunft sehen, die sich allerdings nicht wie ein schöner, gerader Weg vor ihm ausstreckt, sondern in unzähligen verschiedenen Varianten, von denen jede wahr werden könnte – es bleibt immer die Frage, welche es sein wird. Viele Kontakte oder Freundschaften scheint er nicht zu pflegen, allerdings gibt es da eine Frau, die ebenfalls anders ist: Luna. Und sie ist es auch, die Alex in bester Absicht in Schwierigkeiten bringt, und schon stecken beide zwischen den Fronten verschiedener magischer Kreise, die vor nichts zurückschrecken, um das zu bekommen, was sie wollen.

Sehr gefallen hat mir, wie dieses magische London nach und nach auf- und ausgebaut wird. Anfangs wirkt alles gar nicht so anders, aber dann! Dann entwickelt es sich, und wie. Natürlich hat man das alles schon mal irgendwie und irgendwo so oder ähnlich gelesen, Ben Aaronovitch fällt mir da ein, vielleicht auch ein klein wenig Jim Butcher mit seiner Harry Dresden-Reihe, aber das ist völlig ok: Alex Verus ist trotzdem ein eigenständiger Held in einer vielversprechenden Stadt. Dass das Buch in der Ich-Form geschrieben ist, muss man mögen, ein alles wissender Erzähler verrät natürlich mehr, aber mir hat es sehr gut gefallen. Das Buch bleibt konsequent aus der Sicht des Helden geschrieben und man muss ein wenig zwischen den Zeilen lesen, um mehr über Alex Verus zu erfahren. Ein geschickter Schachzug des Autors: Gerade so viel Information, dass man unbedingt weiterlesen muss, und so wenig, dass man nicht zu schnell alles erfährt.

Ein kleines Manko gibt es: Alex Verus ist mir manchmal etwas zu heldenhaft angelegt. Ein paar kleine Schwächen wären ganz gut gewesen, ein paar Abstürze hier und da, aber im Großen und Ganzen kann ich mit einem heldenhaften Helden leben. Ich fand ihn sehr sympathisch, vielleicht manchmal etwas wortkarg, aber das steht Helden ja immer gut, zumindest in Büchern und Filmen 🙂 . Band zwei steht schon bei mir im Regal und wartet auf seinen Einsatz, und ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht.

Ausgelesen: Geister auf der Metropolitan Line. Von Ben Aaronovitch.

Als klar war, dass es einen weiteren Peter Grant-Band von Ben Aaronovitch geben würde, war ich begeistert. Diese Serie ist einfach das Nonplusultra, was Urban Fantasy betrifft, ich mag den Humor, die Intelligenz, die kleinen Seitenhiebe auf moderne Stadtplanung, die Liebe des Autors zu seiner Stadt, London. Dazu kann der Mann auch noch schreiben, er nimmt seine Figuren ernst, lässt ihnen ihre Geheimnisse und erklärt nicht alles – was will der Leser mehr?

Geister mit Kaffeebecher… irgendwie sympathisch.

So. Und dann stand ich im Buchladen und dachte: Oh, das Buch ist aber dünn. Und warum ist die Schrift so groß? Hm. Will da jemand etwa eine kleine Zwischengeschichte als neuen Band der Serie verkaufen? Ja, verdammt! Und dann bin ich sauer aus dem Laden gerauscht, ohne das Buch zu kaufen.

Glücklicherweise gibt es aber noch größere Fans als ich es bin, und von einem habe ich die Geister auf der Metropolitan Line ausgeliehen bekommen, und was soll ich sagen? Es ist gut, Leute. Es macht einfach Spaß, es zu lesen, obwohl die Geschichte den Hauptstrang der Erzählung nicht vorantreibt. Gewohnt lakonisch und mit viel schwarzem und weißem Humor geht Peter dem Treiben von Geistern nach, die für Aufruhr unter den Pendlern und Touristen in London sorgen. Gibt es eine Verbindung zwischen den Besuchern oder sind sie nur verwirrte Seelen? Viele alte Bekannte helfen Peter, das Rätsel zu lösen, und nebenbei wird ein neuer Charakter eingeführt, dem wir hoffentlich noch öfter begegnen werden. Ich meine – wozu die ganze Mühe, wenn es nur für diesen einen kleinen Ausflug ins Londoner Verkehrswesen gewesen wäre?

Vielen Dank fürs Ausleihen, ich hätte echt eine sehr schöne Geschichte verpasst. Und nun warten wir gemeinsam auf den neuen Band, der zwar noch kein Erscheinungsdatum hat, aber schon leise aus dem Buchstabendschungel herausleuchtet… (Methaphern sind doch was schönes 🙂 )