Das kleine geflügelte Schwein raste im Tiefflug durch die Korridore. Soviel Platz! Soviel Freiheit! Es quiekte entzückt und legte noch einen Zahn zu. Im Wunschpunsch war es zwar auch nett gewesen (unendliche Geschichten, kitzelnde Blubberblasen, Honiggeschmack mit Ginaroma), aber es war eben doch nur ein Wunsch unter unendlich vielen anderen gewesen, und es konnte sein Glück kaum fassen, dass tatsächlich jemand beim Trinken kurz an geflügelte Schweine gedacht hatte.
Jetzt war ihm nach Erdbeeren, ganz dringend brauchte es Erdbeeren, und während es an saftige, rote, duftende Erdbeeren dachte, flog es mit Karacho um eine Ecke, landete mitten im weichen Busen von Frau Mackenbrook und blieb stecken. Frau Mackenbrook ächzte überrascht und taumelte zwei Schritte zurück, dann pflückte sie mit spitzen Fingern das geflügelte Schwein aus ihrem BH und hob es vor ihre Augen. „Was haben wir denn da?“ murmelte sie mit zigarettenkratziger Stimme. „Was bist du denn?“
Das geflügelte Schwein quiekte fröhlich: „Ich bin ein Erdbeerschwein! Hast du eine Erdbeere für mich? Bitteeee!“ Es zappelte in Frau Mackenbrooks Hand und schlug ungeduldig mit den Flügeln.
„Ein Erdbeerschwein… du hast Glück, dass mich sowieso alle für verrückt halten.“ Frau Mackenbrook hielt das Schwein unnachgiebig fest. „Erdbeeren willst du? Falsche Jahreszeit, würde ich sagen.“
„Oooch…“ jammerte das Erdbeerschwein und ließ den Rüssel hängen, schniefte ein paarmal und fing an, jämmerlich zu schluchzen. Große, rosa Tränen kullerten ihm aus den Augen.
„Na, na… “ Frau Mackenbrook setzte das Erdbeerschwein auf ihre Handfläche und rieb sich mit der anderen über das kratzige Kinn. „Du musst ja nicht gleich weinen. Lass mich überlegen… Frau Schmidt hat immer Erdbeerlikör im Schrank. Wär das was?“
Das Erdbeerschwein sah mit großen, feuchten Augen hoch in Frau Mackenbrooks Gesicht. „Erdbeerlikör? Was ist das?“
Frau Mackenbrook lächelte versonnen. „Das ist ein Schluck Sommer, in Flaschen abgefüllt.“
„Sommer? Was ist Sommer?“
Frau Mackenbrook schüttelte den Kopf. „Du kennst keinen Sommer?“
„Nö! Ich bin doch erst ein paar Flügelschläge alt!“ quiekte das Erdbeerschwein.
„Na dann – immer mir nach!“ sagte Frau Mackenbrook und bewegte sich langsam den Korridor entlang auf Frau Schmidts Zimmer zu, während das Erdbeerschwein aufgeregt um sie herum Salti flog und dabei „Erdbeeren, Erdbeeeeren, Eeeeerdberen!“ sang.
„Das wird interessant“, murmelte Frau Mackenbrook und lächelte schnaufend, während sie sich am Handlauf festhielt.
