Mein sind Sonnenschein, Wind und Mohnblumenduft! Und die kleine, grüne Götterspeise am Abend. Ich will über blühende Wiesen laufen und dabei Puderzuckerschneewolken aufwirbeln, mein ist der Blauhimmel mit den Wolkenschiffen, mein sind die Frösche in der Quelle und der erste Tee am Morgen. Dazu sollen Schneeflocken fallen! Mein Atem geht ein und aus und ein, das Brot duftet nach Herbst, solange ich bin. Mein ist der Schneenebel vor der Sonne und der Holunderblütensirup im Winterpunsch. Geh aus, mein Herz, und suche Freud, denn dies ist deine geschenkte Lebenszeit!
Fräulein Honigohr ist unzufrieden mit der Gesamtsituation. Es regiert der unentschlossene Februar, der nicht weiß, was er sein will, Frühling, Winter oder karnevalsbetrunken, und weil ihm aufgrund der aktuellen Situation der Karneval weggebrochen ist, weint er auch noch andauernd große, runde Tropfen oder kalten Schnee. Fräulein Honigohr mag Schnee und auch Regen, beides kann sie nicht erschüttern, aber was zuviel ist, ist zuviel. Es gibt ein Maximalmaß an Grau, das sie ertragen kann, und das wurde definitiv überschritten. Entschlossen tunkt sie den Pinsel in das Orange und betrachtet zufrieden, wie apfelsinenfarbene Tropfen zusammen mit dem unvermeidlichen Regen in den Farbeimer fallen. Dann streicht sie die erste Laterne orange. Sie ist sich nicht ganz sicher, wie sie es geschafft hat, oben an den Lampenschirm zu kommen, aber wenn Fräulein Honigohr etwas unbedingt will, bekommt sie es meist auch. Als nächstes kommt die Parkbank dran, dann ein schrecklich verwahrlost aussehender Papierkorb, der schon bessere Zeiten gesehen hat. Fräulein Honigohr findet, er sieht dankbar aus nach der orangenen Überholung. Gerade widmet sie sich mit Hingabe einem grauen Verteilerkasten, als sie von einem Lautsprecher angeschrien wird. „Was genau machen Sie da? Ja, Sie mit den gepunkteten Gummistiefeln!“ Fräulein Honigohr dreht sich mit dem Farbpinsel in der Hand um. Am Straßenrand steht ein Streifenwagen, aus dem Seitenfenster guckt ein halbjunger Polizist mit Mikrophon in der Hand. Fräulein Honigohr lächelt und schreit zurück: „Ich vertreibe das Grau!“ „Kommen Sie doch bitte mal ans Auto!“ schreit der Lautsprecher. Fräulein Honigohr seufzt, legt den Pinsel in den Eimer und stapft durch den Regen zum Streifenwagen. Sie beugt sich zum halbjungen Polizisten herunter. Der Regen tropft aus ihrer Kapuze auf seinen Ärmel. „Ich hab heute noch sehr viel zu tun“, sagt sie ungnädig, „was ist denn?“ Der halbjunge Polizist macht eine Handbewegung zu seinem Kollegen am Lenkrad. Der ist grauhaarig und hat einen kleinen Bauchansatz. Er guckt Fräulein Honigohr neugierig an. „Ich wollte nur mal fragen, wo sie dieses unglaubliche Orange her haben. Das strahlt ja wie ein Sonnenuntergang am Meer! Meine Tochter würde es lieben!“ Fräulein Honigohr nickt geschmeichelt. „Es ist toll, nicht? Ist eine Eigenanfertigung. Zufälligerweise habe ich noch einen Eimer… hier, Sie können ihn haben.“ Von irgendwoher aus dem Regen fischt sie einen zweiten Eimer Orange und reicht ihn tropfend über den halbjungen Polizisten hinweg zu dem Grauhaarigen. „Vielen Dank!“ Er strahlt. „Das ist toll! Was wollen Sie dafür haben?“ Fräulein Honigohr winkt bescheiden ab. „Gar nichts. Viel Freude damit. So, und jetzt muss ich wieder, wie gesagt, ich habe noch viel zu tun heute.“ Sie winkt den beiden Männern kurz zu, die einmal kurz das Blaulicht aufflackern lassen und langsam weiterfahren. Dann widmet sie sich wieder ihrem Orange, das mittlerweile durch zuviel Regen leicht verwässert ist. „Zetermordio“, murmelt sie, „Februar, du bist wirklich zu weichmütig. Reiß dich mal zusammen! Ich tue schon, was ich kann! Du könntest ruhig etwas entgegenkommender sein!“ Der Februar schnieft. Dann reißt er sich zusammen. Wenn Fräulein Honigohr nämlich etwas wirklich will, sollte man besser zuhören.
Das war ein Beitrag zu den Extra-Etüden, die von Christiane organisiert werden – vielen lieben Dank dafür, Christiane! Die Regel: Fünf Begriffe in maximal 500 Wörtern (die ich dieses Mal bravourös unterschritten habe! Hah!) Wortspender waren Ludwig Zeidler und Ulrike von Blaupause7. Sie lauteten: Zetermordio, weichmütig, backen, Lautsprecher, orange (NICHT die Frucht, die Farbe), erschüttern. Jetzt könnt ihr ja mal gucken, welche ich verwendet habe… 🙂
an einem Tag im Februar
schnippst die Phantasie mit den Fingern
Milliarden goldener Tagträume machen sich auf den Weg
es regnet Sterne
Hängematten
rote Ferraris
glitzernde Vampire
Erdbeeren
Fußmassagen
marinierte Rippchen
und weil ihr danach ist
schickt sie
ein paar Herden grüner Drachen
und Schokoschmetterlinge hinterher
Aufschreie und Juchzer
aus Büros und Fabriken
dann wird es still in den Städten
Träume überall
zufrieden nickt die Phantasie
so soll es sein
im Februar
im farblosen Februar
blüht der flammende Schabernack
schiebt sich breit zwischen die Zeit
jagt roten Sturm
durch schwarze Gedanken
lässt Nixen und Feen sich erheben
küsst wild ihr weißes Haar
lockt aus müden Augen
dunkle Koboldprinzen
bläst Wunschkonfetti
in blasse Gesichter
tanzt lila Reigen
ins Silbermorgengrauen
beim Sprung über den Mond
verblasst er
verweht in kühler Morgensonne
von weit entfernt
ein Hall
aus blaugrünem Lachen
Das war ein Beitrag zu den Etüden, immer noch dankenswerterweise von Christiane organisiert – vielen Dank dafür! Grundregeln sind maximal 300 Wörter, enthalten sein mussten dieses Mal die Worte Schabernack, breit und erheben. Die Wortspende kam von René und seinem Blog BerlinAutor. Und ich finde, für eine Norddeutsche habe ich ganz schön viel Karneval in meinem Text. 🙂
der Unsichtbare
zwischen allen Stühlen
nicht mehr und noch nicht
Niemandsland
verborgen hinter Narrenmasken
wir wechseln die Rollen
testen andere Leben
noch ist nichts entschieden
für ausreichend Schlaf sorgen
den Tag tanzend oder Trampolin hüpfend beginnen zur Lieblingsmusik
nen laaangen Spaziergang machen
und damit dem Winter trotzen
bowlen oder kegeln gehn
sich Zeit lassen
Musik machen oder singen
oder beides
jemanden besuchen
eine Matinée besuchen
einen Brief schreiben
an jemanden der einem wichtig ist
Keller entrümpeln
sich leiden mögen