Ausgelesen: Das Gold der Krähen. Von Leigh Bardugo.

Den ersten Band dieser zweiteiligen Saga habe ich mit sehr großer Begeisterung gelesen, es hat mich einfach weggefegt und ein bisschen schwach in den Knien zurückgelassen – ich meine, was soll denn nach einem solchen Buch noch kommen? Es kamen dann doch noch ein paar sehr gute Bücher hinterher, aber dieses hier glänzt schon sehr hell zwischen ihnen.

Nun also Band zwei: Das Gold der Krähen. Und darum geht es auch, um Gold, Geld und wie man es bekommt, verliert und zurückgewinnt. Darum herum webt die großartige Autorin Leigh Bardugo ein zweites Mal eine komplexe Welt zwischen holländischem neunzehnten Jahrhundert, Russlands Märchen und Mythen, dazwischen tummeln sich kleine Versatzstücke aus Skandinavien. Wir treffen die Charaktere aus Band eins wieder, Kaz und Inej, Nina und Matthias, Wylan und Jesper. Dieses Mal hat Wylan eine eigene Erzählstimme, es hat mich besonders gefreut, ihn besser kennenzulernen.

Ohne in der Handlung herumspoilern zu wollen: Die Geschichte wird einfach wunderbar weitererzählt, dieses Mal gibt es aber definitiv eine siebte Hauptperson: Ketterdam. Wie die Autorin diese Stadt beschreibt und zum Leben erweckt, ist genial, und es tut dem Buch gut, dass die sechs Diebe dieses Mal überwiegend dort bleiben, denn dadurch fängt die Stadt an zu schillern und zu atmen, und es bleibt trotzdem noch genügend Zeit, um jede der Figuren wachsen und sich verändern zu lassen. In dieser Geschichte ist nichts statisch oder langweilig, und gerade, wenn man denkt, aha, jetzt wird es aber doch vorhersehbar, gibt es eine Wendung, mit der man nicht gerechnet hatte. Ganz große Fantasy, schillernde Helden, komplexe Bösewichte, Nebenfiguren, die man unbedingt näher kennenlernen möchte und Bedauern, wenn das Buch vorbei ist – besser geht es kaum. Große Empfehlung für alle, die gute Geschichten aus anderen Welten mögen!

Ausgelesen: Saint Lupin´s Academy – Zutritt nur für echte Abenteurer! Von Wade Albert White.

Dieses Buch hatte ich lange auf meiner Wunschliste stehen, denn die Rezensionen dazu klangen sehr gut, das Cover sah einladend aus, und außerdem bin ich stets und ständig auf der Suche nach eventuellen Harry Potter Nachfolge Büchern!

Kurz zum Buch (die Inhaltsangabe kann ja jeder ohne große Mühe überall im Netz finden): Anne wird endlich, endlich 13 Jahre alt und darf nach einer fast unendlichen Zeit das öde, feindliche Waisenhaus verlassen, in dem sie lebt und damit auch dessen finstere, fiese, unheimliche Leiterin. Endlich bekommt sie das Ticket, mit dem sie das Schiff betreten darf, um auf Abenteurermission zu gehen – oder? Das Undenkbare geschieht, sie bekommt im Gegensatz zu ihrer besten Freundin Penelope kein Ticket, stattdessen muss sie ein weiteres Jahr im Waisenhaus bleiben und hart arbeiten, selbstverständlich ohne Lohn, ein ungemütliches Bett und dünne Suppe sind doch wohl Lohn genug – oder? Ein paar Leseminuten weiter weiß man, so einfach wird es die Leiterin des Waisenhauses nicht mit Anne haben, ein magischer Handschuh, eine Prophezeiung, Drachen, ein Zauberer und das Ultimative Handbuch für Abenteurer finden ihren Weg zu Anne und die Dinge nehmen ihren Lauf…

Das Buch hat mir gefallen, auch wenn es manchmal kleine, seltsame Hüpfer und sehr krasse Wendungen in der Handlung gibt. Diese kleinen Ruckler sind zu verschmerzen, denn die Ideen im Buch sind einfach zu gut. Allein die im Raum schwebenden Ebenen,  auf denen die Abenteuer spielen, sind für sich schon eine geniale Erfindung. Dazu kommt eine Menge Humor und eine größere Geschichte, die ab und an zwischen den Zeilen (manchmal auch in den Zeilen)  aufscheint und Lust auf weitere Abenteuer macht. Schade ist, dass manche Handlungsstränge völlig ins Leere laufen und nicht weiter verfolgt werden, obwohl es sich mit Sicherheit gelohnt hätte, sie weiter zu schreiben und irgendwie wieder ins Ganze einzubinden. Man merkt, dass dieses Buch der Erstling des Autors ist, da ist durchaus noch Luft nach oben.

Mein Fazit: Die Abenteurer-Academy ist definitiv kein Harry Potter Nachfolger. Aber das ist nicht schlimm, sie kann durchaus für sich allein stehen. Es gibt ein paar absurde Wendungen und Brüche, die aber durch die Originalität der Geschichte wieder wett gemacht werden. Das Buch ist sehr gut lesbar, flüssig geschrieben und für Kinder ab zehn gedacht, aber wie man sieht, können auch Erwachsene es ganz gut lesen 🙂 . Wirklich seltsam fand ich nur das Cover, bei dem man fast annehmen könnte, der Gestalter hat das Buch nicht gelesen – es steht die falsche Figur in der Mitte. So gern ich Penelope als Figur im Buch auch hatte, sie ist nicht die Hauptperson! Es hat ein bisschen gedauert, bis ich begriffen hatte, dass die Hauptfigur in diesem Fall rechts neben ihr steht, warum auch immer – dies als kleiner Hinweis für alle zukünftigen Leser.

Ausgelesen: Ich bin kein Serienkiller. Von Dan Wells.

Ja. Also. Solche Bücher lese ich ja eigentlich schon aufgrund des gruseligen Buchcovers schon mal gar nicht. Blut, das irgendwo herunterläuft, verführt zumindest mich nicht zum Lesen, aber in diesem Fall bekam ich es mit einer zaghaften Empfehlung ausgeliehen – ich schätze, mein Ausleiher war sich gar nicht so sicher, ob ich ihn nicht für etwas seltsam halten würde aufgrund seiner Empfehlung. Und dann lag es bei mir im Regal und ich wurde immer neugieriger und fing irgendwann an zu lesen, und schon nach den ersten drei Seiten hatte das Buch mich.

John Cleaver ist ein seltsamer fünfzehnjähriger. Er interessiert sich nicht für dieselben Dinge wie andere Jungs in diesem Alter, sondern in einem abnorm hohen Maße für das Bestattungsunternehmen seiner Mutter, das sie im Geschäft unter den Wohnräumen der Familie führt. Genauer gesagt interessiert John sich vor allem für die Leichen, die im Bestattungsunternehmen einbalsamiert werden. Der Faszination, die sie auf ihn ausüben, kann er sich nur mit allergrößter Mühe entziehen, und auch sonst führt er einen ständigen Kampf mit seinem zweiten Ich, das permanent an die Oberfläche will, um dort für Zerstörung, Blut und Chaos zu sorgen. Damit das nicht passiert, hat er sich selbst einen strengen Verhaltenskodex auferlegt, dessen Einhaltung seine oberste Maxime ist. Dann geschehen seltsame Dinge in Clayton, dem Ort, in dem er wohnt – grausame Morde werden verübt, und John entdeckt Indizien, die auf einen Serienmörder hinweisen. Aber wie soll er diese Indizien weitergeben, ohne sich selber zu verraten? Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als selbst auf die Jagd nach dem Mörder zu gehen, immer in der Gefahr, dass sein blutrünstiges zweites Ich sich befreit, wenn er sich zuviel Gewalt und Tod aussetzt…

Das Buch ist sehr spannend geschrieben. Durch den Ich-Erzähler verengt sich die Perspektive und man erhält gefühlt immer viel zu wenig Informationen, denn alles was passiert, wird nur aus der Sicht von John geschildert. Während des Lesens war ich hin und her gerissen zwischen Sympathie und Ablehnung der Hauptfigur gegenüber. Genauso erging es mir mit dem potentiellen Mörder, der in Clayton umgeht. Anfangs scheint das Buch ein typischer Thriller mit Serienkiller zu sein, dann entwickelt es sich zu einer Art Fantasy-Thriller, bleibt dabei aber immer eisig kalt. Der innere Kampf, der permanent in John wütet, und sein Anderssein nehmen viel Platz ein, trotzdem fällt der Spannungsbogen selten ab. Die Twists in der Handlung sind gut geschrieben, ab einem bestimmten Punkt weiß man, woran man ist und trotzdem kann man nicht aufhören zu lesen.

Bis zum Schluss war ich mir nicht sicher, ob ich John nun mag oder nicht, und auch nachdem das Buch nun ausgelesen ist, habe ich noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Aber: Band zwei würde ich doch schon ganz gern lesen. Obwohl ich ja eigentlich keine Bücher mit Blut auf dem Cover mag. Und auch keine Serienkiller. Tja. Er hat mich, würde ich sagen.

Ausgelesen: Das dunkle Archiv. Von Genevieve Cogman.

Band vier aus der der Reihe „Die unsichtbare Bibliothek“, und Irene kommt einfach nicht zur Ruhe: Dieses Mal wird sie von einer dubiosen Drachenfrau beauftragt, ein seltenes Buch zu beschaffen, das der Drachin einen hohen Posten in der königlichen Hierarchie sichern soll. Doch Irene weigert sich: Die Bibliothek ist seit Ewigkeiten neutral und darf sich auf niemandes Seite stellen. Doch der Auftrag ist ebenso verlockend wie gefährlich und kann kaum ausgeschlagen werden, wenn die Aufforderung zur Suche von einem Drachen kommt. Damit niemand in Versuchung gerät, beschließt Irene, zusammen mit ihrem Lehrling Kai selber danach zu suchen und es in den Besitz der Bibliothek zu bringen, um die Neutralität zu gewährleisten. Auf der Suche danach geraten sie in eine Welt, die der Prohibitionszeit der zwanziger Jahre in den USA verblüffend ähnlich ist, und es dauert nicht lange, bis Kugeln fliegen und Gangster sich gegenseitig belauern…

Auch dieser Band ist wieder in dem trockenen Tonfall geschrieben, der die Reihe für mich zu etwas besonderem macht. Mit leicht gestelzter Sprachwahl werden die absurdesten Situationen beschrieben, man hat immer das Gefühl, it´s very british, egal, ob Irene und Kai sich auf einer wilden Verfolgungsjagd oder in einer Gangsterkneipe befinden, und selbst wenn die Frisur zerrupft oder die Kleidung angesengt wird, bewahrt man doch immer Haltung und Würde. Allein deswegen werde ich Band fünf bestimmt auch lesen.

Was mir in diesem Band nicht so gefallen hat, ist die Unverwundbarkeit, die Irene wie ein Mantel umgibt. Muss diese Frau denn nie schlafen? Oder über blaue Flecken jammern? Oder sich wenigstens ab und zu mal fragen, ob ihre Loyalität der Bibliothek gegenüber überhaupt gerechtfertigt ist? Ich meine, jeder Mensch braucht doch mal eine Pause, oder? Dummerweise sind Pausen in Büchern schlecht vermittelbar, daher sind wir Leser vermutlich schuld daran, dass Irene sich nie ausruhen darf. Vielleicht sollten wir eine Petition starten: Mehr Schlaf für Irene! Auch nicht so gut gefallen hat mir die Beschreibung der Drachenwelt, aber das ist vorprogrammiert bei einer sehr abstrakten Welt, die sich jeder anders vorstellt. Trotzdem – das Venedig der Elfen war gelungener.

Ich bin gespannt, wo die Reise hingeht in Band fünf, zurück sollte es nicht sein, ich glaube, da wäre ich enttäuscht. Vielleicht wieder ein bisschen mehr in Richtung Steampunk, das wäre doch nett, und Luftschiffe kann es doch nie genug geben in Büchern, oder? Ich hoffe, die Autorin lässt uns ein paar geheimnisvolle Orte und erklärt sie nicht alle, denn die meiste Magie entsteht in Rätseln, die nicht aufgelöst werden. Die Bibliothek zum Beispiel hätte ich gerne weiterhin unendlich in alle Richtungen wabernd und weitestgehend menschenleer. Mal sehen, ob mein  Wunsch erfüllt wird.

Ausgelesen: Das Mädchen mit den gläsernen Füßen. Von Ali Shaw.

Ach, und es fing so gut an. Als ich dieses Buch in der Bibliothek entdeckte, dachte ich: Oh! Was für ein schönes Buch! Warum habe ich das denn noch nie vorher gesehen? Und als ich die ersten Seiten las, dachte ich: Oh! Das fängt aber gut an! Schöne Sprache, spannender Anfang, wie geht´s weiter? Und ich habe es mitgenommen.

Zuhause dann überkam mich eine leichte Skepsis, das Buch und ich haben uns gegenseitig kritisch angeguckt, irgendwie wurden wir nicht miteinander warm. Dann habe ich es schließlich doch weitergelesen. Die Sprache: Weiterhin traumhaft schön, der Autor webt mit seinen poetisch verhangenen Sätzen eine graue, vernebelte Inselgruppe, auf der es entweder eiskalt ist oder regnet, und selbst wenn die Sonne scheint, wird es niemals warm, weder innerlich noch äußerlich. Ida, eine der beiden Hauptpersonen, ist es ebenfalls kalt ums Herz, sie hat ein angsteinflößendes Geheimnis, das sie auf St. Hauda´s Land ergründen will – ihre Füße werden zu Glas. Bei der Suche nach einem geheimnisvollen Mann, der ihr vielleicht helfen könnte, trifft sie Midas, einen introvertierten jungen Mann, der die Welt lieber durch den Sucher seiner analogen Kamera sieht als direkt und als Aushilfe in einem Blumenladen arbeitet. Langsam und mit Hindernissen freunden sie sich an, bis es Liebe wird. Aber Idas Glas wächst weiter…

(Achtung, Spoiler!)

Soweit, sogut. Gestört hat mich im Laufe des Lesens, dass das Buch auf der Stelle tritt. Es ist immer alles dunkel, der Nebel ist überall, das Glas wächst unaufhaltsam weiter, niemand kann helfen, alle sind in ihre eigenen Schwierigkeiten verstrickt, je mehr aufgedeckt wird, desto schlimmer wird es. Man könnte beim Lesen glatt in eine Depression verfallen. Und das Ende! Grauenhaft! Ich weiß, es kann nicht immer und überall ein Happy End geben, aber so??? Puh. Ich meine, Autoren sind natürlich immer und überall frei zu tun, was sie tun müssen, aber der Leser hat auch das Recht, sauer zu werden. Und das war ich. Meine Güte, wer so schön schreiben kann, könnte dem Leser doch zumindest ein kleines Fünkchen Hoffnung lassen, oder? Nichts da. In diesem Buch gibt es zwar völlig grundlos wundervolle, geflügelte Ministiere, aber null Hoffnung. Ich merke gerade, ich bin immer noch sauer, auch wenn es schon ein bisschen her ist, dass ich das Buch gelesen habe. Der Gerechtigkeit halber muss ich noch erwähnen, dass Midas sich doch weiterentwickelt und es schafft, zumindest halbwegs neue Wege zu gehen. Aber das hat mich nicht sonderlich getröstet.

Also. Wir haben hier ein Buch, geschrieben in sehr schöner, traumverlorener Sprache, die wunderbare schwarz-weiß-graue Bilder malt, eine schöne, phantasievolle Geschichte, die allerdings teilweise auf der Stelle tritt, depressive Schübe auslöst und definitiv kein Happy-End hat. Wer es lesen will, lese es. Ich habe ihn gewarnt.

So ein schönes Cover… tja.

 

Ausgelesen: Das Lied der Krähen. Von Leigh Bardugo.

Sensationell. Grandios. Ein perfektes Buch. Ich hatte schon kaum noch daran geglaubt, dass es das überhaupt noch gibt, und dann bekam ich das hier in die Finger. Wer Fantasygeschichten liebt, muss dieses Buch einfach lesen, da gibt´s überhaupt kein Wenn und Aber! Ran an die Seiten, Freunde!

Und dann ist auch noch die Buchgestaltung extrem gelungen…

So. Und nun zu den Gründen für meine übersprudelnde Begeisterung. Die Welt, in der Das Lied der Krähen spielt, ist eine überaus gut geschriebene Mischung aus Holland, Russland und einer Spur Skandinavien, wobei die Übergänge fließend sind und es schon nach kürzester Zeit keine Rolle mehr spielt, woran die Autorin sich eventuell orientiert haben könnte. Zu gut ist die Hafenstadt Ketterdam mit ihren dunklen Straßen, schmutzigen Gassen, ihren Gaunern, Abgründen und Bewohnern geschaffen, als Leser taucht man auf der ersten Seite des Buches ein, holt noch einmal tief Atem und schwimmt – bis zum Ende. Jedes verwinkelte Haus, jedes rutschige Dach, jedes parfümierte Zimmer ist fühlbar und spürbar, und die Protagonisten sind lebendig von Kopf bis zu den unbeschuhten Füßen – nein, Schuhe tragen sie meist ja doch, die Bewohner von Ketterdam.

Diese Karte hat mich durch das Buch begleitet.

Genau. Die Helden. Sechs an der Zahl, fünf davon kommen zu Wort, den sechsten lernen wir nur durch die Sicht der anderen fünf auf ihn kennen und bedauern das im Lauf des Buches immer mehr. Wäre doch nur mehr Platz gewesen auf den 585 Seiten! Der Dieb, die Spionin, der Verurteilte, die Magierin, der Scharfschütze, der Ausreißer. Selten habe ich in Fantasy-Büchern lebendigere und vielschichtigere Figuren kennengelernt. Dazu kommt eine wirklich gute, spannende Geschichte, die durch die Beziehungen der Hauptfiguren untereinander nie langatmig wird und die geschriebene Welt in allen Details glänzen lässt. Gemeinsam machen sie sich auf eine halsbrecherische Mission, bei der das Ende nie sicher ist, genauso wenig wie die Entwicklung der einzelnen Personen. Muss ich noch erwähnen, dass Gut und Böse hier eine Unzahl von Zwischentönen haben? Und dass das scheinbar Richtige sich schnell ins Gegenteil verkehren kann?

Kein Kitsch, keine Langeweile, keine künstliche Spannung, keine schlecht geschriebenen Dialoge, keine seltsamen Brüche in der Handlung – hach. Es gibt sie doch noch, die perfekten Bücher. Selbstverständlich werde ich Band zwei lesen, wenn er im September herauskommt, überhaupt keine Frage. Große Empfehlung an alle Fantasy-Fans und auch an alle, die gut geschriebene, spannende Diebesgeschichten lieben.

Schöner Klappentext – er verrät nicht zuviel. Ich mag es gar nicht, wenn man schon auf der Rückseite zuviele Infos bekommt!

Ausgelesen: Shadowmarch – Das Herz (Band 4). Von Tad Williams

So. Jetzt sind wir bei Band 4 angekommen, die Reihe nähert sich der Vollendung. Und eine Vollendung ist es wirklich: Fast ein Dutzend Erzählstränge laufen seit Band 1 nebeneinander her, und nun versammeln sich sich alle an der Südmarksburg, treffen aufeinander und steuern auf eine gewaltige Schlacht zu. Es geht um nichts geringeres als die Weltherrschaft, einen größenwahnsinnigen König und lebende Götter. Mehr wird nicht verraten!

Tad Williams hat auf fast dreitausend Seiten eine Welt erschaffen, die in sich logisch ist, eine vielschichtige Religion aufweist, verschiedenste Völker und Länder vereint und so voller Liebe zum Detail ist, dass man es manchmal gar nicht fassen kann. Ob es Hintergrundgeschichten zur Geschichte der Länder sind, die Beschreibung der steinernen Decke in den Funderlingshallen oder das Treffen von Briony mit der Halbgöttin Lisiya im Wald – alles fügt sich ein in ein riesiges, farbenprächtiges Mosaik, vor dem man staunend steht und denkt: Wie hat er das bloß gemacht? Und wie plant man so etwas? Wie viel Zeit hat er damit verbracht, sich nur die Namen aller Personen  auszudenken? Unglaublich.

Ein paar kleine Kritikpunkte von meiner Seite gibt es: Einige der Handlungsstränge sind unvollendet geblieben oder aus meiner Sicht heraus nicht ganz schlüssig beendet worden, da tauchte die ein oder andere Frage auf, nachdem ich das letzte Buch zugeklappt hatte. So schlimm fand ich das angesichts des Umfangs der Reihe allerdings auch wieder nicht. Manchmal war es mir in einem der Stränge zu grausam; ich bin kein Freund von detailliert beschriebenen Folterszenen und ich bin auch nicht der Meinung, dass die eigene Fantasie sowieso immer noch schlimmer ist als das, was beschrieben wird. Klar muss man den Bösewicht besonders hervorheben, aber auf manche Ideen möchte ich einfach nicht gebracht werden. Und als letztes: Ich habe bestimmt ein oder zwei graue Haare mehr bekommen, wenn wieder ein Kapitel zu Ende war, die Handlung zur nächsten Person sprang und ich dastand mit einem Cliffhänger, der erst im über-über-über-übernächsten Kapitel aufgelöst werden würde. Das ist unmenschlich gegenüber dem Leser!!! So. Das musste auch mal gesagt werden.

Ansonsten aber: Wer sagenhafte Fantasywelten mit Elben, Menschen, Zwergen und vielen Gestalten irgendwo dazwischen mag und es liebt, seine Helden über mehrere Bände hinweg zu begleiten, ist hier genau richtig. Die Figuren werden mich wohl noch eine ganze Zeit beschäftigen. Ein tolles Werk, ein toller Autor. Chapeau!

Ausgelesen: Shadowmarch – Die Dämmerung (Band 3). Von Tad Williams

Nachdem ich Teil 1 und Teil 2 dieser Reihe schon bearbeitet habe, folgt nun Teil 3.  Die Geschichte schreitet mit großen Schritten voran, und es wird eine Ahnung des großen Plans sichtbar. Einige der Hauptfiguren sind deutlich erwachsener geworden oder haben sich weiterentwickelt, es gibt interessante Wendungen. Andere bleiben sich treu und man freut sich, wenn man in ihre Kapitel springt. Mehr kann ich leider zur Handlung nicht sagen, ohne zu viel zu verraten, deswegen hier mehr zu einem Dichter und zu einem Volk, das sehr hoch oben lebt.

Matthias Kettelsmit, auch Matty Kettelsmit genannt, ist ein Dichter – oder möchte gern einer sein. Er hat große Ambitionen, aber leider kein Geld, keinen Erfolg und kein Glück. Er ist kein Held und kommt nur durch Zufall in die Südmarksburg, wo Briony Eddon ihn bemerkt und in einer Mischung aus Verachtung und Belustigung zum Hofdichter macht, ohne je irgendetwas größeres von ihm zu erwarten. Matty gehört nicht zu den Leuten, denen irgendetwas einfach in den Schoß fällt, und gerade das macht ihn so sympathisch. Ihn begleitet eine Serie von Pleiten, Pech und Mitmenschen der unangenehmsten Art, die sich in seiner Gegenwart nicht wie von Zauberhand bessern, sondern es schaffen, immer noch eine Stufe schlimmer zu werden. Er schlängelt sich irgendwie durch, immer voller Furcht vor dem, was als nächstes passieren könnte, und man kann sicher sein, es wird auch passieren. Als Matty sich verliebt, ist es natürlich eine unerwiderte Liebe, und hier wächst er über sich hinaus. Selbstlos kümmert er sich um die Geliebte, verhilft ihr zur Flucht, sorgt für sie und bringt sich dabei selber in Gefahr. Auch hier geht es wieder nicht ohne Pannen und Demütigungen für ihn aus, nichts läuft reibungslos, überall lauern Versagen und Entdeckung. Aber er lernt fürs Leben und für seine Kunst, und wenn er am Anfang noch latent unsympathisch daherkam, wächst er einem über die Zeit ans Herz und man hätte so gern ein gutes Ende für ihn… aber das entscheidet natürlich der Autor allein. Tad Williams schreibt hier einen ganz normalen Menschen in die Geschichte, der uns durch die oberen Gänge der Südmarksburg begleitet, als sie von allen anderen Helden der Geschichte verlassen wird, und er schafft eine Verbindung zum normalen Dorfleben unterhalb der Burg. An Matty ist nichts übermenschlich groß, beeindruckend oder heldenhaft. Er ist zutiefst menschlich und hat schlechte und gute Momente, und wenn er gute hat, fiebert man mit ihm mit und leidet, wenn es wieder schief geht. Eine der schönsten Figuren der Reihe, wie ich finde.

Eines der liebenswertesten Völker in Shadowmarch sind die Dachlinge, daumengroße Wesen, die auf den Dächern der Burg und in ihren Zwischenwänden leben. Sie verstecken sich seit Generationen vor den Menschen und sind deswegen zur Legende geworden. Sie sind klein, aber außerordentlich tapfer und wagemutig, und ihre Größe stellt für sie keinerlei Hindernis dar und gibt auch keinen Anlass zu Selbstzweifeln. Als Reittiere nutzen sie Vögel, Fledermäuse und Ratten, und von allen verehrt wird ihre gütigste Majestät Königin Altania. Giebelgaup, der königliche Bogenschütze, spielt eine kleine, aber außerordentlich wichtige Rolle, und am Ende wissen wir, dass die Größe eines Wesens absolut nichts bedeutet. Mich hätte vieles in Zusammenhang mit diesem Volk sehr interessiert (wo leben sie genau? Wie funktioniert ihre Gesellschaft? Warum und wie sind sie auf Südmarksburg gelandet?), aber ich schätze, es war einfach nicht genug Platz für mehr, und da niemand der Hauptfiguren sich in die Welt der Dachlinge begeben kann (sie sind einfach zu groß dafür!), hätte es hier einen gesonderten Erzählstrang geben müssen. Und dafür sind sie dann wieder nicht wichtig genug. Aber das macht überhaupt nichts, so sind sie wie der Zucker im Kaffee, oder wie der Nachtisch bei einem guten Essen – sie machen es erst rund.

Und rund wird es dann auch bei Band 4, mit dem ich die Reihe hier im Blog demnächst abschließen werde. Ach ja, wieder gelesen auf dem e-book-Reader.

Ausgelesen: Shadowmarch – Das Spiel (Band 2). Von Tad Williams

Und da sind wir schon bei Band 2 der Reihe Shadowmarch (hier geht es zu Band 1). Wer meinen Lobgesang über Aufbau und Handlungsstränge dieser Reihe lesen möchte, kann das bei Band 1 tun, eine Handlungszusammenfassung gibt es hier nicht. Grund dafür ist, dass ich jede Menge Geheimnisse verraten würde, wenn ich die Geschichte nacherzähle, und das wäre doch schade. Stattdessen gibt es eine kleine Einführung in die Welt der Skimmer, und es wird ein Rabe vorgestellt.

Was ich großartig an Shadowmarch finde, ist die Vielfalt der Völker und Rassen, die in Eion und Xand leben. Es gibt fast ein Dutzend Hauptfiguren aus unterschiedlichen Völkern, und trotzdem sind es eigentlich noch nicht genug. Neben all diesen Personen gibt es Gruppen, die auftauchen, eine Rolle spielen, aber ohne eigene Erzählfigur auskommen müssen und trotzdem funktionieren. Bestes Beispiel dafür sind die Skimmer. Sie leben unterhalb der Südmarksburg in einer engen Siedlung mit verzweigten Stegen und Holzhäusern direkt am und über dem Wasser. Überhaupt scheinen sie eine enge Verbindung zum Wasser zu haben und leben vom Fischfang. Jeder kennt sie und kauft ihren Fisch, aber niemand weiß genau, wie sie leben, was ihre Traditionen und Werte sind. Sie bilden eine eigene Gesellschaft in der Südmarksfeste, ihre Traditionen sind archaischer und auch hierarchischer als auf den ersten Blick sichtbar ist. Viele Menschen blicken verächtlich auf sie herab und nennen sie Fischköpfe, wagen sich aber nicht in ihre Siedlung hinein, denn sie gehen einem Kampf nicht aus dem Weg und der Zusammenhalt der Skimmer untereinander ist groß. Skimmer sind Menschen sehr ähnlich, aber ihre Arme sind kräftiger und länger, die Haut ist heller und sie besitzen kaum Kälteempfinden. Einige Skimmer werden in den Büchern etwas genauer vorgestellt, sie spielen auch für die Handlung eine Rolle, trotzdem bleiben sie insgesamt eher im Dunkel, was ihren Reiz ausmacht. Unwillkürlich fragt man sich, wo sie herkommen, was aus ihnen werden wird, was sie alles können, von dem wir keine Ahnung haben. Und dass sie Dinge können, von denen wir keine Ahnung haben, steht völlig außer Frage. Tad Williams hat es hier geschafft, ein Volk einzuführen, das im Buch keine eigene Stimme besitzt, nicht erklärt wird, dessen Zukunft ungewiss ist und von dem wir keine tiefergehenden Informationen haben, und trotzdem ist man fasziniert. Großes Kino.

Außerdem möchte ich den Raben Skurn vorstellen. Er hüpft in Kapitel 6 des zweiten Bandes zwischen den Zeilen hervor und ist eine meiner Lieblingsfiguren in den vier Büchern. Er besitzt eine ausgeprägte Persönlichkeit, scheint sehr alt zu sein und beherrscht die menschliche Sprache, auch wenn es die von vor etwa zweihundert Jahren ist. Außerdem hat er immer Hunger und ist ständig auf der Suche nach Fressbarem, wobei er Dinge frisst, an die ich hier noch nicht einmal denken möchte – wirklich, wirklich eklige Dinge. Man kann nicht gerade sagen, dass er eine mächtige, magische Figur ist, nein, eher eine recht armselige, gerupfte und lästige Kreatur, aber dabei nicht kleinzukriegen. Er beugt sich, wenn es notwendig ist, bleibt aber sich und seinen Versprechen treu. Er bringt etwas Leben und Humor in die ansonsten eher düstere Reise einiger Personen in den Zwielichtlanden, und nimmt dabei fast so etwas wie die Rolle eines Hofnarren an, allerdings einem mit räudigem Federkleid und kahlen Stellen. Um ihn selbst sprechen zu lassen: „Unsereins tut auch nie wieder was Unrechtes! Unsereinen hat´s nur so schlimm gehungert!“ Auch hier bleiben Vergangenheit und Herkunft im Dunkeln, der Rabe ist da, spielt seine Rolle, und die Tatsache, dass er sprechen kann, trägt enorm zum Reiz der Bücher bei.

Soviel zu Band 2. Weitere folgen!

Ausgelesen: Shadowmarch – Die Grenze (Band 1). Von Tad Williams

Wer richtige, echte Fantasy mit allem drum und dran liebt, kommt um Tad Williams nicht herum. Menschen, Elfen, Zwerge, groß angelegte Welten mit komplizierten Beziehungsgeflechten, epische Landschaften, magische Wälder – alles ist da und mit großer Könnerschaft geschrieben.

So auch Shadowmarch, eine Reihe aus vier Bänden. Die Menschen beherrschen Eion, den nördlichen Kontinent, nachdem sie in einem mehrere Generationen zurückliegenden Krieg die Qar besiegt haben. Die Qar sind ein Elbenvolk, das aus sehr unterschiedlichen Stämmen besteht, alle verschieden in Aussehen, Verhalten und Konsistenz (ja, das ist kein Schreibfehler). Nach ihrer Niederlage haben sie sich in die Zwielichtlande zurückgezogen, sehr weit oben im Norden, und sich hinter einer undurchdringlichen Wand aus Nebel verborgen. Die Sonne scheint niemals in den Zwielichtlanden.

In Südmark, einem Staat Eions, herrscht die Familie Eddon. Das Königreich liegt direkt neben der Zwielichtgrenze, was den Menschen zwar bewusst ist, sie in ihrem Leben aber wenig beeinflusst. Der Krieg liegt so lange zurück, dass sich Legenden darum gebildet haben, die Realität und Fantasie verschwimmen lassen. Allerdings wird die Grenze respektiert, vor allem, weil Menschen sie nicht übertreten können, ohne entweder zu verschwinden oder mit zerstörtem Verstand zurück zu kommen. Die Zwillinge Briony und Barrick Eddon sind die Kinder von König Olin Eddon, der seit Monaten in Gefangenschaft ist, und das Buch beginnt mit einer Jagd auf einen Lindwurm in der Nähe der Schattengrenze, an der die zwei teilnehmen. Ebenfalls dort unterwegs sind Chert und seine Frau Opalia, zwei Funderlinge aus dem Volk der Kleinwüchsigen (wir würden sie Zwerge nennen). Sie bemerken, dass die Grenze sich verschoben hat, auf Südmark zu, etwas, das es noch nie gegeben hat, und damit beginnt die Geschichte.

Es ist schwierig, die Handlung oder Personen dieser Reihe mit wenigen Worten zusammenzufassen, zum einen, weil man dauern spoilern würde, zum anderen, weil es einfach so unglaublich viele Personen, Orte, Namen und Handlungsstränge gibt. Genau – die Handlung. Das Buch ist unterteilt in verschiedene Handlungsstränge, die mit jedem Kapitel wechseln. Es gibt insgesamt zehn (oder waren es elf?) Hauptfiguren, die sich ständig hin- und herbewegen: Briony und Barrick Eddon, Ferras Vansen, der Hauptmann der königlichen Garde, Chert Blauquarz, der Funderling aus Funderlingsstadt unter der Südmarksburg, Matthias „Matty“ Kettelsmith, Yasammez, eine Adlige der Qar, außerdem Qinnitan aus dem Kontinent Xand, deren Rolle lange ein Geheimnis bleibt, um nur einige davon namentlich zu erwähnen. Auf der einen Seite hat es mich wahnsinnig gemacht, mit jedem Kapitel in einen anderen Handlungsstrang zu wechseln, vor allem dann, wenn es gerade spannend wurde, andererseits hat es großen Reiz, auf diese Weise immer wieder neue Blickrichtungen auf dieselben Ereignisse zu erhalten. Manchmal scheinen sie auch wenig bis gar nichts miteinander zu tun zu haben, aber unter der Oberfläche ahnt man, dass hier alles miteinander zu tun hat.

Eine besondere Erwähnung verdienen die Orte, an denen die Handlung spielt. Selten habe ich so detailliert und liebevoll ausgestattete Welten gelesen. Es stimmt alles, von den Namen über die Religion, von der Sagenwelt bis zu der Beschreibung der Tier- und Pflanzenwelt, und es ist niemals langweilig oder langatmig. Ich habe zum Beispiel kein einziges Mal über irgendetwas hinweg gelesen, um schnell zum nächsten spannenden Punkt zu gelangen – es war einfach nicht notwendig, weil es so, so gut geschrieben ist.

Das war meine Rezension zu Band 1 der Reihe – die weiteren folgen. Ach ja, gelesen auf dem e-book Reader!