Experten

Wir sind erfahren. Wir haben alles schon zigmal gemacht. Wir wissen im Dunkeln, wo der Lichtschalter ist. Wieviel Butter man braucht, um eine Brötchenhälfte zu bestreichen. Wir fangen die Tür im Vorbeigehen auf, damit sie nicht an die Wand knallt, und unsere Hände wissen genau, was sie beim Schleifenbinden zu tun haben. Wir kennen die kürzesten Wege, wir sind sie alle schon gegangen. Wir kennen uns aus. Wir sind Experten unseres Lebens.
Wenn wir in unserem sicheren Bereich doch etwas Neues entdecken, sind wir begeistert: Wir geben Tipps zum besseren Kartoffelschälen weiter, beschreiben den Weg zum perfekten Picknickplatz oder wie wir das erste Apfelbäumchen gepflanzt haben. Experte sein ist schön. Es gibt Sicherheit.
Und Anfänger sein?
Wenn wir etwas nicht können und es trotzdem tun müssen, sind wir wach. Präsent. Wir lernen. Unser Gehirn läuft und brummt und knüpft neue Synapsen. Wir scheitern und versuchen es nochmal. Wir sind langsam. Langsam. Langsam zu sein ist selten erlaubt in unserer Welt. Wir freuen uns, wenn wir schneller werden. Aber war es nicht auch schön, als wir langsam und vorsichtig das erste Mal Auto gefahren sind? Dieses überwältigende Gefühl! Oder als wir zum ersten Mal ein Loch in die Wand gebohrt haben?
Kinder sind überall Anfänger. Sie wissen es nicht, aber wir wissen das. Wir könnten öfter Umwege machen und Wege gehen, die wir noch nie gegangen sind. Wir sind erwachsen, wir dürfen das.
Vielleicht sollten wir den Kalligraphie-Kursus anfangen. Oder japanisch lernen.
Anfänger sein ist schön.
Und unser Gehirn freut sich.

Ausgelesen und geschrieben: Sieben Tage Leichtsinn. Von Susanne Niemeyer.

Jeder, der gerne schreibt, kennt die Zeiten, in denen es einfach nicht von selber flutscht. Das Hirn ist blockiert, gutes Zureden hilft nicht, und die leere Seite vor einem starrt einen vorwurfsvoll an. Dann, liebe Freunde, ist es Zeit für Sieben Tage Leichtsinn!

Dieses kleine Heft begleitet einen sieben Tage lang und macht Vorschläge (die man selbstredend nicht befolgen muss, aber befolgen möchte, nachdem man einmal angefangen hat!) zu Themen wie „Anfangen“, „Das Auja-Prinzip“, „Schönfärben“, „Lustifikation“ und anderen mehr. Dazu gibt es schöne kleine Texte und Gedichte, die mit einem Mal wieder die Lust am eigenen Fabulieren wecken. Und plötzlich sieht man sie auch wieder, die unzähligen Möglichkeiten, Menschen, Gefühle, das große Ganze und das ganz Kleine zu beschreiben. Und wenn wirklich einmal alles feststecken sollte, na, dann ist es eben so – dann reicht es auch, nur die Texte zu lesen, rein zur Stimmungsaufhellung.

Mir hat das Büchlein viel Freude gemacht, und ich nutze es mittlerweile weit über die angestrebten sieben Tage hinaus. Und Leichtsinnig war ich auch gleich: Man betrachte den Frühstücksteller – wenn das kein Leichtsinn ist! 🙂

Anfangen

Gerade bin ich von einer Schreibreise zurückgekommen. Zusammen mit sehr netten Menschen aus ganz Deutschland habe ich einen alten Hof in der Nähe von Münster bewohnt, der heute ein Stille- und Meditationszentrum ist. Vermutlich haben wir die Stillesuchenden nachhaltig verstört, denn still waren wir ganz bestimmt nicht – nur in den Schreibstunden, da konnte man uns nicht hören. Geschrieben haben wir in einer designpreisgekrönten, umgebauten großen Scheune mit eindrucksvollen Betonwänden, sehr schönen Holzfußböden und riesigen Fenstern nach draußen auf die Felder. Es war heiß. Es war sogar sehr heiß an den ersten drei Tagen. Die Kreativität hat das nicht gestört, vielleicht hat die Hitze unsere Köpfe auch erst richtig rund laufen lassen. Das Ergebnis waren viele wirklich schöne Texte in der Runde, und wer weiß, vielleicht bekommt man künftig hier ein paar davon zu Lesen. Das hier war mein erster Dreiteiler:

Der Nordpool weht kühl durch meine Gedanken
Hitze hämmert von außen an die Fensterscheiben
Mückenstiche jucken auf heißer Haut

Es hat viel Spaß gemacht. Und das wichtigste war wie immer : Anfangen.

Den kleinen Katamaransegler bekamen wir alle von einer Teilnehmerin geschenkt. Vielleicht, um auf der Buchstabensee zu segeln?