ungerührt II

in der Nacht
gab es Abschiede
Anfänge wurden gesät
der Schlaf war wählerisch
und schnell beleidigt
bis zum Morgen warf der Mond
lange Schattennetze
über das Land
fing die Schlaflosen ein
und ich
weiß nichts davon
schneide Apfelschnitze am Morgen
sortiere Kerngehäuse aus
trinke süßen Tee
ahnungslos
ungerührt

Ich muss sagen, mein heutiges Dienstags-Gedicht hat mir sehr deutlich gezeigt, dass meine gut gemeinten Hintergrund-Gedanken nicht auftauchen, wenn ich sie nicht hinschreibe. Hier also das Gedicht, wie es gemeint war. Hoffe ich zumindest. Man weiß ja nie. 😁

8 Gedanken zu „ungerührt II

  1. Wie ich sehe, hast Du eine Zeile eingefügt: (und ich) weiß nichts davon. Du hast also nichts mitbekommen, dass jemand Vertrautes – möchte ich mal sagen – Entscheidungen getroffen hat, vielleicht nicht mehr da war, als Du aufgestanden bist. Aber das hat dich nicht berührt, so wenig, dass Du ganz ohne Regung Deinen Apfel geschält hast.
    So würde ich das jetzt sehen.

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  2. Ich verstehe meine Vorredner gar nicht, auch bei dem anderen Gedicht. Für mich spricht in deinen Gedichten (beiden, auch wenn ich das zweite deutlicher finde) ein Einzelwesen darüber, was anderen ebenso Vereinzelten in der Nacht passiert ist/sein könnte.
    Das ist die gleiche Perspektive, als wenn jemand abends vor einem erleuchteten Wohnblock steht und sich überlegt, dass in diesen Wohnungen möglicherweise Menschen gerade ihren schönsten wie ihren schlimmsten Abend im Leben erleben – und dass keiner vom anderen weiß, der Betrachter inklusive.
    Morgenkaffeegrüße ☁️🍁☕🍪🍂👍

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    • So war das gemeint… genau. Wie gerade eben bei Werners Kommentar geschrieben, man bringt sich selbst beim Lesen immer mit, und dann kann Neues entstehen, unbeabsichtigt. Damit muss mal als Schreiberling wohl leben… auch, wenn es mir nicht ganz leicht fällt. 🙂
      Morgengrüße mit Tee! (neulich war unser Wasserkocher kaputt – kein Tee und kein wasauchimmer für die gesamte Belegschaft. Grauenvoll!)

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  3. Ich hatte die erste Version auch so verstanden, dass das Ich selbst eine schlechte Nacht hatte. Interessant ist jetzt im Vergleich, dass die Bedeutung des „ungerührt“ für mich sich jetzt auch geändert hat.
    Bei der ersten Version habe ich gedacht, du machst es extra doppeldeutig und man kann sich aussuchen, ob das Ich wegen der schlechten Nacht vergisst den Tee umzurühren bzw. einen wohltuenden Zuckerpampf am Tassengrund braucht, um wieder auf die Beine zu kommen, oder ob dem Ich nun bei Tag die Geschehnisse der Nacht nicht mehr wichtig erscheinen. In Version 2 lese ich das ungerührt in seiner gängigen übertragenen Bedeutung.
    Aber solche Erlebnisse, dass die Leser was total anderes lesen, als man meint, geschrieben zu haben, das kenne ich auch. Und manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die den Ausschlag geben…

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