Mein Balkon im Juni

Sechs Tage war ich weg, und was macht mein Balkon in der Zeit? Er verbündet sich mit meiner Balkonkümmerin und explodiert. Und als ich noch ungläubig gucke ob all des neuen Grüns und der Größe der Tomatenpflanzen, raschelt meine Stachelbeere mit all ihren stacheligen Zweigen und fragt schnippisch, ob denn jetzt eigentlich endlich mal der übliche Balkonauftritt im Blog dran wäre, grüner würde es ja wohl nicht mehr werden.

Die Stachelbeere ist dieses Jahr übermütig, denn ich habe sie nicht beschnitten, und nun nimmt sie die Hälfte des Balkons ein und piekt mich, wenn ich versuche, sie zu gießen. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie ich die Stachelbeeren pflücken soll, ihre Mama ist besitzergreifend und kann sehr schlecht loslassen. Für den Rosmarin ist das aber ein Glück, wie ich vermute.

Er hat ein dramatisches Jahr hinter sich. Nach hemmungslosem Wachstum bis in den Dezember hinein und schlichtem Ignorieren des Winters mit Hilfe zahlloser kleiner rosa Blüten kam der März, und der März war hart. Er hat dem Rosmarin die Füße abgefroren und so blieb mir nichts anderes übrig, als zur Schere zu greifen. Er muss geahnt haben, dass ich drauf und dran war, ihn ganz in den Pflanzenhimmel zu befördern, denn er hat um eine zweite Chance geduftet, und so durfte er bleiben. Wenn auch geschrumpft. Die Stachelbeere umschmeichelt jetzt seine kahlen Zweige und die beiden flüstern die ganze Zeit miteinander. Er hat sogar schon wieder ein paar grüne Triebe bekommen.

Die Nelke, die frühere Küchenhockerin, hat sich prächtig entwickelt. Sie ist still und genügsam, wächst langsam vor sich hin und strotzt vor Blüten. Der kleine Männertreu muss sich mächtig anstrengen, um auch etwas Platz zu bekommen.

Alle Bewohner dieses Balkonkastens müssen sich ran halten, denn sonst werden sie von dieser Erdbeer-Vanille-Minze hinterrücks überwältigt. Eigentlich wollte ich nur ein paar Mochitos mit ihr mixen, aber dann habe ich kurz nicht hingesehen und zack! ist sie sowas wie der Pate der rosa-lila Balkongesellschaft geworden: O sole mio, her mit dem Wasser und dem Dünger oder ich überwachse dich (was ich sowieso tun werde, aber Höflichkeit ist die Tugend der Minzepflanzen)!

Diese zwei hier haben sich gegen den Minze-Paten verbündet und wachsen einfach so dicht an dicht, dass sie keine Chance hat, ihr Geschäft in diese Richtung zu erweitern. Sehr clever. Im nächsten Kasten wächst auch eine Minzpflanze, aber eine Spearmint-Pflanze. Sie spricht immer ein bisschen nuschelig, vermutlich wegen des Kaugummiaromas, und ist im Gegensatz zum Paten pflegeleicht und verträglich.

Was man von ihrer Nachbarin wirklich nicht sagen kann. Sie hat ein sehr ausartendes Gemüt, und wenn ich ihr nicht massiv Einhalt gebiete, würde sie an der Eroberung der kompletten Balkonwelt arbeiten und hätte auch schon Erfolg gehabt. Dabei ist sie trotzdem ein sensibles Seelchen, sie möchte nicht nur den Balkon, sondern auch den Himmel erobern, knickt dabei aber gern mal zur ein oder anderen Seite ab. Eine absturzgefährdete, penetrante, wuchernde Seele. Aber alle Schwebfliegen lieben sie, deswegen darf sie bleiben.

Hier ist es etwas aus dem Ruder gelaufen. Ich hätte wohl mal energisch durchgreifen müssen, aber man kommt so schlecht ran, und es war das einzige, was im Winter grün geblieben ist, und es sieht ein bisschen aus wie ein wuscheliger Kopf… ach, egal, der Topf ist, was er ist, ein wilder Minigarten. Wenn ich reingucken könnte, würde ich bestimmt ein winziges Dorf entdecken, das sich über die sintflutartigen Regenfälle beschwert, die regelmässig morgens stattfinden, und der Bürgermeister muss endlich etwas dagegen tun, oder er wird abgewählt!

Was das hier ist? Ich habe keine Ahnung, aber es wächst einfach immer weiter und immer höher. Mal sehen, wo es hinwill. Und es schwankt im Wind, als ob es zuviele Mochitos getrunken hätte. Die Minze wäre auf jeden Fall schon mal fast in Reichweite.

Dann gibt es da noch die Tomaten, allesamt Kollegen-Geschenke, die in einem Fall ein Joint-Venture mit einer Waldmeister-Siedlung bilden, im anderen Fall meine etwas kläglichen Versuche einer Vermehrung von Weidenkätzchen begleiten. Den Tomaten geht es prima. Die anderen… naja… wer weiß, da geht bestimmt noch was. Und seht mal, wie liebevoll sich meine Balkonbetreuerin gekümmert hat! Ich habe vor meiner Abreise nämlich nur noch schnell einen Stab in die Erde gesteckt und gedacht, das reicht schon, so schnell werden die ja nicht wachsen! Haha.

Einzelne, interessante Untermieter haben sich eingefunden, zum Beispiel diese Dame hier mit exorbitantem Haarwuchs:

Und dann gibt es noch den Glasfisch, der stetig seine Runden zieht, völlig unbeeindruckt von Mafia, Bündnissen, zickigen Stachelbeeren und blühendem Schnittlauch aus dem vorletzten Jahr. Er schwimmt in all dem Grün und freut sich seines Lebens. Und ich freue mich mit.

8 Gedanken zu „Mein Balkon im Juni

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