House-Sitting

House-Sitting

Dein Schweinehund stemmt die Füße gegen den Rücksitz und weigert sich, auszusteigen. Er knurrt dich an. „Wieso müssen wir das tun?!“
„Weil ich will, dass wir es tun!“ Du zerrst an seinen Vorderpfoten, ohne Erfolg. „Los, komm jetzt endlich!“ Du bist mit deinen Nerven am Ende. Es ist sowieso schon alles aufregend, und jetzt das hier, ein renitenter Schweinehund, der unablässig vor sich hin jammert, seit ihr losgefahren seid. Schon beim Packen hat er einen Kommentar nach dem anderen in deine Richtung geschoben und wie ein Windjammer bei meterhohen Wellen vor sich hin geächzt. Du explodierst wie ein Vulkan:“ Steig – jetzt – endlich – aus!!!“
Dein Schweinehund wirft schmollend die Nase in die Luft, steigt aber aus, wobei er ängstlich den Boden mit den Pfoten abtastet, als ob dort Millionen Ohrenkneifer auf ihn warten würden, damit sie ihn zum Abendessen auffressen können. Als er endlich draußen ist, wirfst du die Autotür hinter ihm zu, unnötig laut, aber du hast genug von Zwischentönen.
„Los, nimm deinen Rucksack und komm“, zischst du.
„Du musst nicht gleich so unfreundlich sein“, antwortet dein Schweinehund beleidigt, „ich mach ja schon, was du willst.“ Er starrt die fremde Haustür unbehaglich an.
„Als wir neulich zum Abendessen hier waren, hat es dir gefallen. Was ist jetzt also so schrecklich hier, kannst du mir das bitte mal sagen?“
Dein Schweinehund starrt den Briefkasten an. „Es ist nicht unser Zuhause.“
Du schüttelst den Kopf. „Aber das ist doch gerade das Gute!“
„Was bitteschön ist daran denn gut? Wir kennen uns nicht aus. Es riecht ganz anders.“ Er schnuppert mit säuerlicher Miene am Briefkasten. „Ich muss in einem fremden Bett schlafen! Mein schönes Bett!“ Dein Schweinehund wischt sich mit Herzschmerz im Gesicht eine Träne aus dem Auge.
„Du wirst dich schon dran gewöhnen“, sagst du und schließt die Haustür auf. Er hat recht. Es riecht wirklich ganz anders als bei euch zuhause. Du gibst es ungern zu, aber du bist ganz schön aufgeregt. Wie wird das werden, zwei Wochen ein fremdes Haus mit Hühnern, einem Kater und einem Hamster zu hüten?
„Apropos Kater“, dein Schweinehund steht plötzlich dicht hinter dir und linst in den Flur, „wo ist er?“ Seine Augen funkeln.
„Was haben wir besprochen?“ fragst du ihn drohend.
„Nicht anbellen, nicht jagen, nicht beißen“, leiert dein Schweinehund herunter, aber seine Augen funkeln immer noch.
Du starrst ihn bohrend an. Er versucht, lammfromm auszusehen, hat aber wenig Erfolg damit. Du gehst ins Wohnzimmer, öffnest die Tür zur Terrasse und freust dich zum ersten Mal heute. Am Himmel segeln kleine Sahnewölkchen, der Teich duftet nach Entengrütze und du hörst die Hühner leise gurren.
Du hörst deinen Schweinehund drinnen leise „Miez-Miez-Miez“ rufen. Du willst dich gerade umdrehen und ihn ermahnen, als er schrill aufjault. Mit auf die Nase gedrückten Pfoten kommt er zu dir auf die Terrasse geschossen und versteckt sich hinter deinen Beinen.
„Daf ifft ein Monfterkater da drinnen! Und hier wollen wir sfei Fochen bleiben?“ Er betastet vorsichtig seine Nase, auf der ein tiefer Kratzer glänzt. Der Kater kommt majestätisch aus der Terrassentür und betrachtet euch hochmütig, dann verschwindet er mit hoch erhobenem Schwanz in aller Seelenruhe im Gebüsch. Du grinst breit. Um den brauchst du dir schon mal keine Sorgen zu machen.
„He! Ich bin sferferletst und du grinfst??“ Dein Schweinehund guckt dich entrüstet an.
Schnell sortierst du dein Gesicht. „Nein, natürlich nicht“, beeilst du dich zu sagen, „lass mal sehen. Soll ich ein Pflaster draufmachen?“
„Ja! Aber einf mit Piraten drauf!“
Als du durch die Terrassentür nach drinnen gehst, um ein Pflaster zu suchen, macht sich Erleichterung in dir breit. Du hast schon eine Blaupause für die nächsten zwei Wochen House-Sitting im Kopf. Es gibt einen Pool im Garten. Und einen Stuhl mit Tisch im Grünen.
Das wird wunderbar.

Nachdem ich ja nun tuttokompletto zu spät bin für das Etüdensommerpausenintermezzo II bei Christiane, habe ich mir die Freiheit genommen, acht Wörter auszuwählen, aber keinen erkennbaren Ort unterzubringen. Also für die meisten nicht erkennbar 🙂 . In den nächsten Tagen lasse ich euch ein bisschen teilhaben am House-Sitting. Ich freue mich, dass ich nach so ein bisschen Urlaub bisher wieder Lust habe, etwas zu schreiben. Und es folgen noch zwei Wochen, hurra!

18 Gedanken zu „House-Sitting

    • Vielleicht sollte ich das beruflich machen, es gibt ja Profihaushüter… 🙂 aber ich hab schon ein paar Tage gebraucht, um mich einzuleben. Der Schweinehund dagegen hat nach einer Stunde beschlossen, dass das vorhandene Netflix-Angebot prima in sein Portfolio passt und dass das Sofa schön weich ist. 🙂 Tauben und ein friedlicher Kater klingen gut!
      Liebe Grüße, Tanja

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      • Nach Deinem Text bin ich gleich auf die Suche gegangen nach solchen Angeboten, weil ich ja so selten zur Tochter nach Mcpom kann, weil Dachgarten und Kater mich hier binden und ich bisher noch keinen Sitter gefunden habe. Wenn man beruflich nicht gebunden ist, gar kein schlechter Job: unterschiedliche Tiere, Häuser, Wohnungen, Gegenden. Man muß sich nur in so einer Organisation anmelden und ein Profil erstellen. Dort hatte ich geschaut:
        http://www.pawshake.de
        Lieber Gruß zu Dir, Tanja

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  1. Hey, das klingt aber wirklich nach Abenteuer, wie großartig! Eine wunderbare Zeit wünsche ich dir, und eine kooperierende Katze! Und wie toll, dass du auch diesen Teil des Etüdensommerpausenintermezzos noch mal belebst, zu dem durchaus noch Beiträge eingehen dürfen! 👍👍👍
    (Adventüde: Ist da, hab eine Freundin hier, melde mich später 😁👍)
    Ganz herzliche Grüße
    Christiane 😁🌞☕👍

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  2. So eine Schweinehundnase macht was mit. Sind die lila Tupfen jedenfalls mittlerweile verschwunden?
    Und Hühner? Hühner machen das Leben einfach besser.
    (also solange sie keine Kalkbeinmilben haben, keine rote Vogelmilbe, keine Kokzidien, es keinen Vogelgrippealarm gibt und vor allem keine seltsamen, asozial wirkenden Verhaltensweisen… Gerade im Radio gehört: Hühner können kein Corona bekommen, immerhin!)

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    • (Psssst! Wir sprechen nicht über die lila Punkte. Immerhin scheinen sie etwas an Intensität zu verlieren.)
      Hühner sind toll. Meine Hühnerbesitzer haben jetzt entdeckt, dass sie auch glucken können. Und von all den Milbentierchen erwähne ich mal lieber nichts, das kommt noch früh genug… 🙂

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  3. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 37.38.20 | Wortspende von Ludwig Zeidler | Irgendwas ist immer

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