Melancholie

du kannst es spüren
sacht schleicht sie sich an

umfließt deine Knöchel
steigt hoch in die Beine
zieht die feinen Härchen glatt
hängt sich an deine Gelenke
kriecht in den Hals
färbt deine Gedanken

alles wird anders
schwerer
deine Fersen kleben am Boden
deine Seele mit Spinnweben verhangen
der Luft die du atmest ist zäh

der Boden
dein Grund
auf dem du stehst
ist schwammig
uneben
gibt nach

du fällst

in dich
unter den Boden der Seele
siehst aus deinen Augen
die Dinge sind dichter
dunkler

Menschen sagen Geräusche
sie hallen in dir
werfen sich grau von Wand zu Wand
selten
ein Aufblitzen von Licht

du hörst
das Ächzen der Haut
rauschende Wolken
im vorbeifliehen

du siehst
das Fließen der Luft
und
Wirbel die die Vögel schlagen
in ihr
wie Sahne

du spürst
dein tosendes Blut
um die Wände deiner Seele spülen
wie Zellen sich teilen und sterben
die Einmaligkeit deiner Existenz
ihre Vergänglichkeit

du bist unsterblich
hoffnungslos

von Göttlichem durchdrungen
verlassen

während du atmest
die scharfsilberne Luft dich durchdringt
weißt du nie

ob du sie weise fürchtest
oder herbeisehnst

die Melancholie

Das ist ein älteres Gedicht aus einer ausgesprochen emotionalen Phase. Schon seltsam, wenn man ältere Sachen noch einmal liest: Auf der einen Seite mag ich es immer noch, auf der anderen Seite: Herrje, ich habe da ganz schön in Weltschmerz gebadet… 🙂

Der Dienstag dichtet! 🙂  Katha kritzelt hat diese Aktion ins Leben gerufen: Jeden Dienstag wird ein Gedicht aus eigener Herstellung veröffentlicht. Auch WortgeflumselkritzelkramMutigerlebenWerner KastensFindevogel, die Wortverzauberte, Lyrikfeder, Ein Blog von einem FreundNachtwandlerin und Lindas x Stories sind mit von der Partie. Schaut doch mal bei ihnen vorbei, der Dienstag fängt besser an mit ein bisschen Wortzauberei!

16 Gedanken zu „Melancholie

  1. Zur Melancholie gehört auch der Weltschmerz. Ich finde, deine Zeilen fangen das wundervoll ein. Solange nur etwas dramatisch wurd und nicht tragisch, kann so eine Stimmung auch ein guter Impuls für Kreativität sein.

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  2. Weltschmerz und Weltfreude – beides gehör dazu und sich mal so richtig leid tun, befreit auch und macht schöpferisch, nur wenn man verstummt, dann wäre Vorsicht geboten. Bitterschokolade gepaart mit Sonnenschein hilft bei mir immer -:))

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    • Ich erinnere mich, wie ich mal hingegossen auf einer Sommerterrasse saß/lag und mit dramatisch zum Himmel gewandten Blicken mein reichhaltiges Inneres nach Außen trug… es hat bloß niemand zugesehen. 🙂 Aber kreativ waren diese Phasen immer, und Schokolade hat noch nie versagt…

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  3. Man kann sich so wunderbar verlieren in der Melancholie. Ich kann mich noch gut erinnern, dass dieses Versinken in Gleichmut mich viel mehr und öfter ergriffen hat, als ich Heranwachsender war: zu jung zum Zum und dann abgleiten in Träume und Wehmut und sich im Blues der Gefühle aalen. (Und alles ohne Drogen).
    Je eigenständiger wir wurden, desto mehr konnte man von seinen Träumen verwirklichen und heute fallen wir oft nur noch in Melancholie, wenn wir an Früher denken und wenn wir die ähnliche Phase bei unseren Kindern sehen.

    Aber schön war es doch!, denn es hat uns gezeigt, wie tief Gefühle sein können.

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  4. Liebe Tanja,
    was für eine schöne und perfekte Beschreibung dieses Gefühls, dieser Stimmung…
    „du spürst
    dein tosendes Blut
    um die Wände deiner Seele spülen“ – wohl meine liebsten Zeilen von deinem Gedicht.

    Liebe Grüße
    Alina

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  5. Ein gutes Gedicht über die Melancholie, auch wenn oder gerade vielleicht weil es älter ist, wer weiß, ich kann es nicht wissen, denn ich kenne dich noch gar nicht.
    Bin mal von Christiane hierhergesprungen, weil ich Dein Gravatarbildchen so schön fand 🙂
    Was mir besonders an Deinen Zeilen gefällt, ist der leise Humor, der sich durch Deine Gedanken zieht, auch wenn du von Melancholie schreibst. Klingt vielleicht seltsam, aber ich spüre ihn und er nimmt der Melancholie den Wind aus den Segeln, sie fühlt sich nicht mehr so wichtig und schrumpft auf ein erträgliches Maß 🙂
    LG von Bruni

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