Dein Schweinehund spart

Dein Schweinehund spart

Als du mit einer Papiertüte in der Hand aus der Bäckerei kommst, steht dein Schweinehund mit verschränkten Armen vor deinem Fahrrad. Anklagend blickt er auf deine Papiertüte, während seine rechte Hinterpfote einen mißbilligenden Takt auf das Steinpflaster klopft.
„Du kannst es nicht lassen, was?“
Seine Stimme hat diesen lehrerhaften Tonfall, den du überhaupt nicht leiden kannst. „Was kann ich nicht lassen?“ fragst du gereizt zurück, obwohl du schon weißt, worauf er hinauswill.
„Sinnlos Geld auszugeben.“ Jetzt klingt er nicht nur lehrerhaft, sondern hat auch diesen unerträglichen, mild überheblichen Ausdruck im Gesicht, den er immer hat, wenn er sich dir moralisch unendlich überlegen fühlt. Dein Blutdruck steigt in zwei Sekunden von hundertzwanzig auf hundertachtzig. „Wieso sinnlos??“ fragst du weit lauter als es eigentlich notwendig wäre.
Dein Schweinehund lächelt sanft. „Ach, das muß ich dir nicht erklären. Das weißt du selber ganz genau.“
„Nein, das weiß ich nicht ganz genau! Erklär mir das bitte!“ Du versuchst, deine Lautstärke zu senken, ballst deine Hände zu Fäusten und zerknitterst dabei die Papiertüte.
Dein Schweinehund legt die Pfoten vor seinem pelzigen Bauch zusammen, ein Abbild gesitteter, beherrschter Vollkommenheit. „Wollten wir nicht sparen? Hatten wir uns nicht einen Urlaub herausgesucht, auf den wir uns schon freuen? Der ziemlich teuer ist? Und war in unserem Sparplan nicht auch ein selbst gemachtes Frühstücksbrot enthalten? Und was sehe ich nun in deinen Händen? Ein belegtes, gekauftes Käsebrötchen, richtig?“ Er ringt die Pfoten. „Ach! Wieviel Brot hätten wir davon kaufen können! Das hätte die ganze Woche gereicht!“ Er sieht dich an und versetzt dir den Todesstoß. „Und gesünder wäre es auch gewesen. All das Weißmehl! Was das wieder mit unserem Blutzuckerspiegel machen wird!“ Er schüttelt weise den Kopf und verschränkt traurig die Pfoten hinter seinem Rücken. Stille breitet sich zwischen euch aus, während eilige Passanten vorbeigehen und euch argwöhnische Blicke zuwerfen.
Du starrst ihn an. Eigentlich hat er Recht. Aber uneigentlich kannst du es nicht leiden, wenn er Recht hat. Verdammt! „Mag sein“, knurrst du, nimmst dein Fahrrad und gehst zur Ampel.
Dein Schweinehund spaziert neben dir her. Er hat immer noch diesen milden, verständnisvollen Ausdruck im Gesicht. „Ach, lass nur. Ich weiß ja, dass ich Recht habe. Es ist halt der Zeitdruck morgens. Soviel Streß, da muss ja was schiefgehen. Ich sag ja immer, schlaf morgens aus, nimm dir Zeit, dann hast du auch die Zeit, dir morgens ein Brot zu… “ Er verstummt und wirft dir einen raschen Seitenblick zu. Du siehst ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
„Warst du es nicht heute morgen, der mir gesagt hat, ich soll das Brot Brot sein lassen? Damit wir den Zug noch bekommen?“
„Jaaa, aber doch nur, weil du so spät aufgestanden bist!“
„Und warum bin ich wohl so spät aufgestanden?“
„Weil du gestern abend unbedingt noch den Film gucken wolltest!“
„Und warum wollte ich gestern abend unbedingt diesen Film gucken? Der im übrigen auch noch echt schlecht war, wie du ja weißt!“
„Weil… weil… hab ich vergessen!“ Dein Schweinehund springt vor dir in den Fahrradkorb und wendet dir den Rücken zu.
„Aha. Vergessen.“ Um einiges zufriedener als noch vor einer Minute stemmst du dich in die Pedalen.
„Trotzdem. Ich hab Recht“, schiebt er störrisch hinterher. Er sieht dich nicht an.
„Stimmt“, antwortest du friedlich.
„Ich will nur dein Bestes!“
„Weiß ich doch.“
„Stopp!!!“ schreit er so plötzlich, dass du eine Vollbremsung hinlegst und zwei Passanten fast zu Tode erschreckst.
„Was ist denn?!“ herrscht du ihn an. „Willst du uns beide umbringen, oder was? Hier ist doch nichts!“
„Ja, guck doch!“ ruft er, hüpft im Fahrradkorb auf und ab und zeigt auf ein Schaufenster. „Da! Das Buch! Mit dem Schallplattencover! Ist das nicht toll? Das müssen wir haben! Kaufst du mir das? Bittebittebitte! Ich glaube, ich kann ohne das Buch nicht weiterleben!“ Er springt aus dem Korb ans Schaufenster, presst sich an die Scheibe und starrt in die Auslage. Seine Nase hinterlässt einen feuchten Abdruck auf dem Glas.
Du starrst ihn an und denkst: Unverbesserlich. Er ist unverbesserlich. Aber das Buch… das Buch sieht wirklich interessant aus.

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