Fräulein Honigohr und der Januar
Fräulein Honigohr hat schlechte Laune. Sie sitzt vor dem Fenster und kommandiert Schneeflocken herum. Wenn man das überhaupt Schneeflocken nennen kann, so mickrig, verwässert und unentschlossen wie sie vom Himmel fallen. Aus einem trostlosen Himmel. Fräulein Honigohr seufzt. Es ist ein tiefer, melancholischer Seufzer vom Grunde ihres mit Schneematsch bedeckten Herzens. Sie schließt die Augen und stellt sich eine weiße Landschaft vor, die Sonne strahlt vom Himmel, unter ihren Stiefeln knartscht es, auf allen Ästen liegen Schneepolster, die wie Wolken auf ihre Haare herunterstäuben, wenn sie einen Ast streift.
„Na? Wie lange willst du die armen Schneeflocken noch herum kommandieren?“ Fräulein Honigohr öffnet die Augen. Herr Brummeck steht in der Tür. Schuldbewusst lässt sie die Hände sinken, und sofort hören die Schneeflocken auf, vor ihrem Fenster pas de deux zu tanzen und fallen wieder wie kleine nasse Säcke zu Boden.
Herr Brummeck verschränkt die Arme. „Komm schon. So schlimm ist es gar nicht.“
„Doch.“ Fräulein Honigohr starrt Herrn Brummeck mit zusammengekniffenen Augen an. Bei Schneematsch versteht sie keinen Spaß.
„Wenn du den Schnee so vermisst, sollten wir nächstes Jahr in den Skiurlaub fahren. Das machen die Leute hier so.“
„Es ist nicht der Schnee. Es ist der Januar. Dunkel, grau, naß, kalt. Und keiner weiß, ob es überhaupt jemals wieder Frühling werden wird!“ Sie stöhnt dramatisch.
Herr Brummeck lächelt. „Der kommt. Keine Sorge.“
„Aber wann? Wann??“
„Heute wohl nicht. Komm. Ich hab Kakao gemacht. Lass uns planen. Dafür ist der Januar da. Du wolltest doch immer schon diese alte Burg angucken. Wie wärs mit einem Burgwochenende? Und was ist mit der Ballonfahrt, mit der du mir seit Jahren in den Ohren liegst?“
Fräulein Honigohr hebt den Kopf. Ballonfahren? „Sind Marshmallows auf dem Kakao?“
„Selbstverständlich.“
Es duftet nach heißer Schokolade. Wer weiß? Vielleicht hat der Januar ja doch versteckte gute Seiten.
Das war ein Beitrag zu den Etüden, die Christiane organisiert. Die Wortspende kam dieses Mal von ihr selber und bestand aus den Worten Skiurlaub, mickrig und kommandieren.
Hurra! Fräulein Honigohr ist aus dem Weihnachtsurlaub zurück. Ich freu mich.
Ich habe noch nie Marshmallows gegessen, kann man die wirklich auf heiße Schokolade legen? Deine Geschichte ist januartröstlich, ich mag ihn und den Februar überhaupt nicht.
Lieber Gruss vom grauhimmeligen Dach, Karin
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Ja! Kann man! Sie schmelzen, ein bisschen wie Sahne, nur süßer. 🙂 Ein Muß im Januar. Im Februar auch, wenn man mich fragt.
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Hurra! Ich freue mich auch, ich habe Fräulein Honigohr bereits vermisst!
Äh – Marshmallows auf dem Kakao? Noch nie gehört. Hmmmmmmmmmmmmm.
Liebe Grüße
Christiane 😀
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Man nimmt die ganz kleinen, die großen wären etwas, äh, herausfordernd. 🙂 Sie schmelzen auf dem heißen Kakao… hmmm….
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So viele schöne Alternativen, und dieser unwiderstehliche Kakao – eine ganz herrliche Geschichte.
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Ballonfahren! Fahrradtouren! Bücher lesen! Schwimmen gehen! Ausflüge! Ab April. Spätestens. Bis dahin gibt es Kakao. 🙂
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Kakao hin oder her, ich würde lieber mit Fräulein Honigohr Schneeflocken kommandieren. Das klingt nach einer ganz wunderbaren Beschäftigung. Leider mangelt es hier an Schneeflocken *seufz*
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Hier auch. Doppelseufz.
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