Keine Ahnung, warum, aber in letzter Zeit lese ich wieder mehr Krimis. Und gerne auch mal welche, bei denen ich vorher keinerlei Ahnung habe, worum es geht oder wie der/die Autor/Autorin schreibt. Am liebsten gehe ich in der Stadtbibliothek am Regal entlang, gucke auf die Titelrücken und ziehe einfach eins heraus und nehme es mit. So auch bei diesem Buch, das mich erfreulich überrascht hat. Wenn man schon ein Risiko eingeht, ist es doch immer schön, wenn es kein Totalausfall wird!
In Halbmast geht es um die Überführung eines neugebauten Kreuzfahrtschiffes aus der Werft über die Ems in die Nordsee – hat hier jetzt jemand eventuell eine große, norddeutsche Reederei vor Augen, die riesige Kreuzfahrtschiffe baut und sie dann in millimetergenauen Aktionen in die Nordsee überführt? Tja, ich auch, und zwar das gesamte Buch über. Ich nehme mal an, dass die Reederei bei Erscheinen des Buches nicht übermässig erfreut war, sie kommt darin nämlich nicht besonders gut weg. Eine Fotografin soll die Überführung zusammen mit einem Journalisten begleiten und eine Reportage darüber machen. Anfangs läuft alles glatt, dann gibt es ein paar seltsame Vorfälle und als der Journalist spurlos verschwindet, beginnt die Fotografin zu ahnen, dass auf dem Schiff und in der Reederei nicht alles so reibungslos läuft, wie man es ihnen gerne weismachen möchte…
Das Buch ist solide Krimikost. Für ausführliche Charakterstudien ist nicht genug Platz auf den 256 Seiten, vor allem auch, weil die Autorin Nebenhandlungen eingebaut hat, auf die ich gerne zugunsten der Haupthandlung verzichtet hätte. Es ist schön norddeutsch kühl gehalten, der Hauptfigur kommt man ein bisschen näher, alle anderen bleiben einem mehr oder weniger fremd. Der Hauptfokus liegt auf dem Vorantreiben der Handlung und auf dem ungewöhnlichen Handlungsort, dem Kreuzfahrtschiff. Politische Interessen, schlechte Arbeitsbedingungen und Schwarzarbeit werden erwähnt, aber nur gestreift. Man hätte mehr aus dem wirklich interessanten Plot machen können, aber mal ehrlich: Aus den meisten Büchern könnte man mehr machen. Wenn der Autor sich dagegen entscheidet, ist das sein gutes Recht, und so ist das Buch wunderbar geeignet für eine lange, langweilige Zugfahrt oder einen Nachmittag auf der Sonnenliege im Garten. Es wird nicht mein einziges gelesenes Buch von Sandra Lüpkes bleiben.