Eine Premiere: Ich habe tatsächlich ein Hörbuch gehört! Dazu muss man wissen, dass ich mich schwertue mit Hörbüchern, es fehlt an Gelegenheiten, sie zu hören, und dann vermisse ich es sehr, dabei ein Buch in der Hand zu halten – ein unlösbarer Konflikt quasi 🙂 .
Aber: Ich liebe Bastian Pastewka. Ich glaube, er könnte eigentlich alles spielen oder machen, ich würde (fast) alles angucken oder eben anhören. So auch dieses Hörbuch, das kein Hörbuch ist, sondern eine Art Hörspiel, bestehend aus 20 einzelnen Szenen, in denen die neunjährige Tochter ihren Vater mit den Ansichten des ebenfalls neunjährigen Kevin und seines Vaters konfrontiert. Diese kommen vermutlich aus einer etwas handfesteren und direkteren Familie, und sie formulieren ihre Ansichten unverblümt und ohne Rücksicht auf bildungsbürgerliche Mittelschichtfamilien, die ihre Unvoreingenommenheit und Aufgeklärtheit wie einen Schild vor sich hertragen und dabei gerne übersehen, dass sie hinter dem Schild doch sehr ähnliche Ansichten haben und gar nicht so unvoreingenommen sind, wie sie es gerne wären.
Genau diese Diskrepanz wird in den Gesprächen zwischen Tochter und Vater jedes Mal mit Genuß und Süffisanz aufgedeckt, und es ist ein Fest, Bastian Pastewka dabei zuzuhören, wie er sich in seinen Sätzen verfängt, verstrickt und Dinge sagt, von denen er genau weiß, dass er sie gar nicht sagen dürfte, wenn er seinen eigenen Lebensentwurf konsequent leben und denken würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Wie er gerne wäre und denken würde, liegt lediglich wie eine dünne Decke über dem tatsächlichen Denken und Sein, und Mia Carla Oehring als Tochter schafft es mit Leichtigkeit, diese Decke wegzuziehen. Es dauert jedes Mal nur ein paar Minuten, bis es soweit ist, und ich habe eine vage Ahnung davon, welchen Spaß die Autoren beim Schreiben gehabt haben müssen.
Ich habe die CD auf einer längeren Autofahrt gehört und war sehr überrascht, wie schnell ich plötzlich am Ziel war, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Übrigens wartete am Ziel eine überzeugte Mittelschichtfamilie auf mich, die ich sehr mag.